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Projekte
Helmut Mark, Reinhard Braun
Das zentrale Paradigma der Werbekultur stellt zweifellos das Logo dar: ein spezifisches Zeichen, das als verdichtete und
fixierte, also statische - damit aber beliebig reproduzierbare - Erscheinung funktioniert; es ist hauptsächlicher und permanenter Träger von (gewerblicher, institutioneller, persönlicher etc.) "Identität" bzw. repräsentiert ein ästhetisches Bild dieser Identität - über das Logo wird eine Differenz ästhetisch formuliert: das Zeichen leistet aber mehr als nur diese Identifizierbarkeit, und zwar in dem Moment, als ihm durch parallele Strategien ganz bestimmte Inhalte zugeordnet werden. Es entsteht eine signifikante Verbindung zwischen diesen parallelen "Geschichten, Erzählungen" und dem Zeichen - das Bild einer Identität. Werbung arbeitet an der Herstellung eines derartigen Komplexes an Zeichen- und Verweissystemen, die sich gegenseitig transportieren und konnotieren, an deren Etablierung, und damit an der Etablierung eines bestimmten Zeichen-Sinns und -Inhalts.
Da es sich bei dem konstruierten Identitäts-Bild aber um ein artifizielles und strategisches handelt, bleibt diese Verbindung
und ihre Bedeutungen z.T. fiktiv: das Logo hat immer auch fiktiven Charakter, insofern die "Inhalte" nicht unbedingt real zu
existieren brauchen. Das Logo ist ein "mentales" Zeichen, das auf kollektive und imaginäre Vorstellungen und Bedeutungen
verweist und diese instrumentalisiert. Dieser surreale, fiktive Charakter des Logos erscheint wichtig für das vorliegend
Konzept: die Tatsache, daß die Zeichen eine Fiktion transportieren, daß sie immer eine Fiktion transportieren. Damit läßt sich
ein wichtiger Punkt der Werbung markieren: ihr Dreh- und Angelpunkt liegt in dem Vermögen, auf der fiktionalen bzw.
suggestiven Ebene zu operieren; darin investieren die Auftraggeber ihr Geld: über spezifische Mechanismen und Strategien
am Imaginären zu partizipieren bzw. dieses zu instrumentalisieren. Jede Werbung versucht, die Spirale des Begehrens als
Teil eines kollektiven Imaginären weiterzutreiben, selbst Imaginäres zu produzieren. Auf Seiten der Rezipienten, der Kunden
existiert eine bereits etablierte Erwartung nach dieser Erzählung: das Projekt "TRANSIT" simuliert diese Immanenz, die
Automatismen zwischen Zeichen und Erzählung - hinter jedem Zeichen muß sich eine Erzählung verbergen, die vom
(eigenen) Begehren handelt. Diese Ebene auszublenden heißt zugleich, sie zu markieren. Insofern erscheint das Projekt
TRANSIT als Erzeugung einer Negativität, einer Abwesenheit. Aus diesem Grund ist kein Logo im traditionellen Sinn
entwickelt worden, es bleibt nur der Schriftzug über - in der Farbe Schwarz; die knappest mögliche Gestaltung und
Prägnanz, eine Skizze, eine Geste, die die Mechanismen markiert und benutzt, ohne sie direkt zu erzeugen.
Die Postkarte erscheint demzufolge als eine Belehnung, eine Besetzung und Annektion bereits bestehender Werbe-Systeme -
Logo, Inhaltlichkeit, bestimmte Bildmotive etc.: das Logo der Deutschen Bank repräsentiert die Perfektion der Werbe- und
Logo-Kultur, die nicht weiter getrieben werden kann - jedes zusätzliche formale Element innerhalb eines Logos würde hinter
dieses Zeichen und seine Prägnanz zurückgehen. Die Motivik im Zusammenhang mit der Deutschen Bank veranschaulicht
darüberhinaus die gesamte Zeichen- und Werbekultur: die Frankfurter Banktürme tragen an exponierter Stelle das Logo der
Bank und erscheinen geradezu als Symbol der Präsentation, der permanenten Gegenwärtigkeit der Zeichen, ihrer Reichweite,
ihrer Identifikations-, Repräsentations- und Suggestionsleistungen: ein besserer Ort für ein Zeichen ist nicht zu errichten. Die
ausgewählte Aufnahme dieser architektonischen Situation als Motiv für die Postkarte - auf dem noch ein Kirchenkreuz als
Symbol einer anderen Zeichen- und Sinnebene erscheint - erzählt genau diese Geschichte des Zeichens, seiner
Systematisierung und Aufladung, gleichzeitig ist diese Geschichte damit aber abgeschlossen. Insofern erscheint für das
vorliegende Projekt entscheidend, diese Geschichte nicht noch einmal aufzugreifen und neu zu formulieren, sondern das Logo
als Sinnbild dieser Geschichte überhaupt auszublenden: TRANSIT erscheint ohne Logo.
Durch diese Umcodierung bzw. Neucodierung des visuellen Materials arbeitet das Projekt vor allem auf der Ebene der
Kontexte, auf der Ebene der Präsentations- und Rezeptionsrahmen: ästhetische Kommunikation, ihre Mechanismen und
Rituale, ihre Konventionen und die Ansprüche an sie erscheinen thematisiert - aber nicht dargestellt; das Projekt erscheint
insgesamt gegen illustrierende bzw. narrative Umsetzungen angelegt; es setzt auf die Differenz zwischen Erscheinen und
Abwesenheit, um quasi ex negativo die Strategien der ästhetischen Kommunikation, der Werbung, zu markieren, nicht zu
präsentieren. Anstelle eines Zeichens erscheint auf der Postkarte eine Telefonnummer: die Nummer des Vereins, unter der
ein Tonband zu hören ist, das die fehlende Verbindung zwischen dem Begriff TRANSIT und einem Inhalt nur teilweise knüpft
- die Ihaltlichkeit wird offengelassen, keine Erzählung über TRANSIT angeboten, nur ein Assoziationsfeld über einige Begriffe
markiert.
Diese prinzipielle Strategie von Aneignung und Besetzung, Umcodierung und Irritation, Abwesenheit und reduzierter,
punktueller Präsenz zeigt sich im weiteren auf allen Ebenen des Projekts, vor allem auch in der Arbeit für das Fernsehen und
die Print-Medien, die diese punktuell und konzeptuell thematisiert. Es geht nicht um effektive Kommunikation, sondern eine
Gegenstrategie: Leerstellen zu erzeugen, eine Ausblendung zu inszenieren, die einen möglichen anderen Medien-Raum
eröffnen - es geht nicht um Transport und Transparenz, sondern um die Thematisierung von Paradigmen und ihre subtile
Irritierung bzw. Auflösung, nicht ihre Darstellung oder Reproduktion.
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