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Projekte


HILUS - Intermediale Projektforschung

Intermediale Projektforschung im Feld der Medienkunst bedeutet die Erforschung neuer künstlerischer Trägersysteme und die Erarbeitung von künstlerischen Strategien im digitalen Netzwerk, auf theoretischer und praktischer Ebene.

Das Projekt einer derartigen unabhängigen - d.h. von unabhängigen Künstlern, Technikern und Theoretikern initiierten - Forschungs- und Produktionsstätte reagiert auf eine spezifische, allerdings nicht allein nationale Situation: das Fehlen einer unabhängigen Plattform, eines unanhängigen Forums und Arbeitsfeldes für die kontinuierliche Beschäftigung von Künstlern, Technikern wie Theoretikern mit dem Feld der durch die Neuen Technologien erzeugten (nicht allein Kunst-spezifischen sondern vor allem Medien-spezifischen) Möglichkeiten, Phänomenen und Effekten: Derealisierungsschub, das Techno-Imaginäre, Interaktion, Inflation/Nullpunkt der Bilder, ästhetische Kommunikation - kommunikative Ästhetik, Inflationierung der Dimensionen, Fragmentarisierungen/ Inkohärenzen / Diskontinuitäten, Exterritorisierung, Beschleunigung/ Implosion/Komplexitäten, Ritualisierungen, Hypermedia etc. (um nur wenige Stichworte und teilweise selbst inflationäre Begriffe zu erwähnen, Begriffe allerdings, die für viele Arbeiten im Feld der Medien relevant sind; künstlerische Arbeit mit Medien der Neuen Technologien müssen immer auch deren (massen)mediale Implikationen mitreflektieren, besitzen also selbst theoretisches Potential). Es geht also um weit mehr als um die ästhetischen Implikationen. Die Forschungs- und Produktionsstätte HILUS soll die Möglichkeit bieten, jenseits eines Produktions- und Veröffentlichungsdruckes an - künstlerischen wie theoretischen - Fragestellungen im Bereich eines breit angelegten Verständnisses von Medienkunst zu arbeiten: die (auch künstlerische) Reflexion, Analyse und (jeweils konkret orientierte) Aufarbeitung künstlerischer und medientechnologischer/-theoretischer Prozesse und Phänomene (auch in ihrer historischen Dimension) soll dazu führen, Originalbeiträge zur Medienkunst wie -theorie auszuarbeiten, d.h. über eine Rezeption des Forschungs- und Realisierungsstandes hinauszugehen und eigenständige Konzepte, und Strategien und Projekte zu entwickeln. Jenseits eines Produktionsdruckes meint hier die Umkehrung eines Mechanismus: der Prozeß soll sich weg von der primären Orientierung an einer Realisierung und ihren pragmatischen Zwängen hin zu einer angemessenen Projektionsphase verlagern, aus der durch die Arbeit Konzepte entstehen und ihr nicht permanent zugrundeliegen. Ein weiterer Schritt liegt in der Kommunikation mit und über diese(n) Originalbeiträge(n) und Konzepte(n).

Der Typ der künstlerischen Produktion hat sich eminent verändert: im Bereich der computerunterstützten Kunst, Telekommunikations- und Multi-Media-Projekten und ähnlichem ist nur mehr zielführend in einer Kooperation mit Technikern und auch Theoretikern zu arbeiten, um nicht lediglich an der "Oberfläche" dieser Medien und Techniken zu verbleiben. Um diese plurale Arbeitssituation , die aus der Zusammenführung unterschiedlicher Perspektiven entsteht, herbeizuführen, wird das Projekt dieser Forschungs- und Produktionsstätte bereits im Konzeptstadium von Künstlern, Technikern und Theoretikern getragen, die weitere Arbeit ist nur unter Einbeziehung einer Reihe von assoziierten Personen/Gruppen vorstellbar. Ein wichtiger Aspekt dieser neuen Arbeitsstätte ist derart eine Zusammenführung, die Konstruktion einer kommunikativen und produktiven Infrastruktur, um die verschiedenen, im Bereich der Medienkunst notwendigen praktisch-technischen, organisatorischen und theoretischen Fäden zusammenzubringen. Die Fortführung der Reflexionen und die Entwicklung genuiner Kunst/Theorie-Modelle ist nur mehr in Form von Kooperationen denkbar. Aus diesem Grund ist die Kommunikation mit anderen Einrichtungen/Institutionen/Gruppen/Personen von größter Wichtigkeit. HILUS versucht, diese Kommunikation in Gang zu bringen, Teile davon zu fokussieren und in die jeweiligen Arbeitsprozesse zu intergrieren. Produktion wird unter diesen Vorzeichen in einer ersten Phase als Generierung von Information, neuen theoretischen wie künstlerischen Bausteinen verstanden und weniger als Herstellung traditioneller Produkte, sei es als Ausstellungsinhalte, Performances und dergleichen.

Die permanente Assoziierung von Einzelpersonen, Gruppen etc. richtet sich auch gegen fatale Mechanismen einer Quasi-Institutionalisierung: es geht gerade nicht um die Monopolisierung von Mitteln und Information, sondern um ihr Zirkulieren, ihre Präsenz, auf die reagiert werden kann oder auch nicht; die Perspektive einer Produktionsstätte versteht sich ebenso nicht als eine statische Einrichtung von Ressourcen, deren Einsatz und Benützung allein vor Ort möglich sein soll, sondern auch disloziert zur Realisierung unterschiedlicher Projekte und Präsentationen. Derart soll die Produktionsstätte den Charakter eines Pools haben, sofern dies von den Geräten her realisierbar ist.

Die Grundidee von HILUS besteht in der Herstellung konkretisierter und gebündelter Arbeitsituationen, aus deren Verlauf zu den verschiedensten Aufgabenbereichen konkrete Strategien des Umgangs mit den technologischen, präsentationstechnischen und theoretischen Implikationen hervorgehen sollen. Neben diesem Forschungs- und Arbeitsaspekt steht zu Beginn vor allem ein zweiter infrastruktureller Aspekt im Vordergrund: Österreich verfügt seit den 70er Jahren über eine umfangreiche Szene zur Medienkunst im weitesten Sinn; trotz dieser umfangreichen Produktion hat sich bis heute keine wirklich tragfähige Einbindung in das internationale Geschehen entwickelt; selbst im Inland herrscht kein kontinuierlicher Informationsaustausch. Es besteht kein Zugriffs- und Distributionssystem, das eine effiziente Vermittlung und/oder Bearbeitung ermöglicht. Aus dieser Situation heraus wird die Forschungs- und Produktionsstätte verstärkt an der Herstellung und Intensivierung von internationalen und nationalen Kontakten und Austauschsystemen arbeiten. Dies reicht von der Vermittlung von Terminen, Ausschreibungen bis zu jener von Literatur, Zeitschriften sowie von Daten/Bild-Trägern, d.h. den primär künstlerischen "Produkten". Darüberhinaus soll ein leistungsfähiges Leitsystem zu schon bestehenden Datenbanken und elektronischen Archiven installiert werden sowie eine Einbundung in internationale Netze.

Durch diese stärkere internationale Einbindung verspricht sich die Forschungs- und Produktionsstätte eine wesentliche Verbesserung des Austausches zwischen Institutionen, unabhängigen Gruppen und Einzelpersonen auf theoretischen wie praktischen Gebieten, damit auch eine wesentliche Verbesserung der Effizienz der Bemühungen und Aktivitäten auf denselben Gebieten. Die Forschungs- und Produktionsstätte sieht sich also auch als Kontaktstelle und -adresse für internationale Interessen an der österreichischen Situation und vice versa. Vor allem soll es zu einer Rezeption des aktuellen Forschungs- und Produktionsstandes kommen, die erst die Grundlage zu einer weiterführenden Arbeit bilden kann. Die Forschungs- und Produktionsstätte sieht sich also als klassischer Schnittpunkt innerhalb eines inter/nationalen Austausch- und Informationssystems, eine Eintritts- und Austrittsstelle, die ihre Inhalte allerdings nicht besetzt sondern abrufbar hält. Prinzipiell geht es nicht sosehr darum, als Veranstalter und/oder Organisator im engeren Sinn tätig zu werden, sondern - zunächst - hauptsächlich auf der Ebene der Konzepte bzw. in Zusammenarbeit mit spezifischen Projekten/Produktionen; es geht wesentlich um eine intensive und kontinuierliche Arbeit an den Formen und Modi solcher Projekte, d.h. um prä-produktive Aspekte und Ebenen, eine Form der Grundlagenarbeit an Entwicklung, Präsentation, der Trägersysteme, der Umfelder etc., aus welcher sich erst die zu realisierenden Projekte konkret abzeichnen.

Aus diesem Anforderungsprofil heraus kann die Forschungs- und Produktionsstätte zur Mitarbeit an der Entwicklung künstlerischer Konzepte, konkreter Projekte, für die Einrichtung von Festivals, Symposien, Mediatheken und ähnlichem herangezogen werden, bzw. initiiert HILUS derartige Aktivitäten aufgrund einer entsprechenden Vorlaufphase, in der konzipiert, kommuniziert und informiert wird. Trotzdem soll die Entwicklung und die Etablierung einer Quasi-Institution vermieden werden; die Forschungs- und Produktionsstätte sieht sich nicht als statisch/lokale Einrichtung, sondern als ein aktives Feld von kooperierenden Personen/Gruppen etc., die (temporär) unter gemeinsamen Interessen in durchaus unterschiedlichen Weisen an/über und zur Medienkunst/-technologie/-theorie im weitesten Sinn arbeiten und diese Arbeit weitertragen: ein Kommunikationssystem, das selbst in einem Medienumfeld angesiedelt ist.

Dennoch steht diese Arbeit nicht nur unter dem affirmativen Horizont einer Forcierung/Etablierung/Verbreitung der Medienkunst, sondern durchaus auch unter dem Horizont einer Dekonstruktion mancher ihrer Halluzinationen, neuen Mythen und Rituale, also unter einem durchaus kritischen Horizont. Allerdings soll durch die Errichtung einer derartigen unabhängigen Forschungs- und Produktionsstätte ein Forschungs- und Produktionsumfeld geschaffen werden, das es Künstlern wie Wissenschaftern, Theoretikern, Kritikern etc. erlaubt, qualitativ überzeugende Beiträge zur gegenwärtigen wie zukünftigen Medienlandschaft zu entwickeln, zu präsentieren und zu veröffentlichen. HILUS glaubt, mit seinem Konzept auf Defizite vor allem auf dem Gebiet der Kommunikation und des Austausches unter freien Gruppen sowie deren Zugang zu Informationen zu reagieren und hofft, diese in kontinuierlicher und transparenter Arbeit in Gang zu bringen.

In einer ersten Phase (bis etwa Februar 1993) besteht die Arbeit von HILUS in der Erstellung eines fundierten Konzepts (auf der Basis einer Projektarbeit) zu einer derartigen Forschungs- und Produktionsstätte für intermediale Projektforschung, das das infrastrukturelle wie technische Profil umfaßt, die Herstellung der nationalen wie internationalen Kontakte sowie eine Orientierung über den Produktions- und Forschungsstand - es handelt sich derart um die Entwicklung eines tragfähigen Modells für gegenwärtige Projektforschungen auf dem Gebiet der MedienKunst/Neuen Medien überhaupt. Aus einer derartigen modellhaften Studie, die eine sinnvolle Kombination von technischen Einrichtungen (FAX, E-Mail, Datenbank, Networking und ähnlichem) sowie in weiterer Folge die Einrichtung eines "literarischen" wie künstlerischen Archivs (materialiter oder als Leitsystem) umfaßt, wird ab März 1993 die konkrete Konstituierung der Forschungsstätte sowie die Vorbereitung der Produktionsmöglichkeiten erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt wird HILUS auch mit erstem konkreten Projekten sowie theoretischen Arbeiten als erste Resultate dieser Konzeptforschung an die Öffentlichkeit treten.

© HILUS 1992

Das Team: Reinhard Braun - Max Kossatz - Christine Meierhofer - Christoph Nebel - Herwig Turk

Unit 1 / Unit n / Open Circuit





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