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Texte


Reinhard Braun
Translokation. Eine Ausstellung als Methode

Der Begriff der "Translokation" fungiert so wenig als Ausstellungstitel, wie er sich allein auf diese Ausstellung bezieht. Er formuliert und beschreibt vielmehr ein Projekt, das seit 1991 be- und vorangetrieben wird und neben einem Forschungsauftrag und einer daraus resultierenden Publikation, die den theoretischen Rahmen skizziert, auch eine Ausstellung umfaßt. "Translokation" bezeichnet dabei eine grundlegend veränderte Betrachtungswei1se zum Thema der Konstitution und Verfassung des Ortes. Diese veränderte Perspektive zielt aber weniger auf Definitionen und Fixierungen von Orten, Räumen, raumbildenden Objekten und Ensembles (Architektur), sondern vor allem auf die möglichen vielfältigen Praktiken und Strategien, die auf deren Umformung und (vorübergehende) Aufhebung zielen. Die Vorsilbe "trans" beschreibt diese Umwandlung der Verfassung und Einfassung des Ortes allerdings gerade nicht als eine der Bewegung, des Transports, als eine (mediale) Durchquerung der Orte und Räume, sondern als eine Transformation der Lokation an Ort und Stelle. Diese Metamorphose des Ortes, jene Eingriffe, die sich dem Ort bzw. einem Begriff des Ortes aussetzen und dabei und dadurch seinen Zustand ändern, erscheinen nicht so sehr als klassische Interventionen, die einen "Ort im Ort" einfügen oder einen Fremdkörper (Kunst) in ihn einschleusen, sondern als Eingriffe, die eine spezifische Perspektive auf den Ort erst einführen, von der aus sich Modifizierungen denken lassen, die zu Interferenzen innerhalb des Ortes führen - InterÜferenzen, in denen sich die präzise Konturierung des Ortes (Besetzung, Bedeutung, Gebrauch) aufzulösen beginnt. Die Arbeiten installieren einen Standpunkt zum Ort, von dem aus sich ein anderer Ort an Ort und Stelle konstituiert, ein andere Ort, der sozusagen aus der Tektonik des einen Ortes freigelegt wird.

Die in der Ausstellung präsentierten bzw. dokumentierten Arbeiten stellen solche Eingriffe in die Konfiguration eines Ortes dar, entwerfen solche, oder sind Modelle diverser Strategien, die eine Wandlung des Konzepts vom Ort nicht nur indizieren, sondern exemplarisch auch vollziehen. Dabei geht es nicht (nur) um eine buchstäbliche Präsenz im Raum oder des Raumes, sondern um konzeptuelle Bedingungen und Konsequenzen, um eine, wenn man so will, "Ästhetik der Übertragung". Einige Arbeiten (etwa jene von Mischa Kuball, Martha Laugs oder Osvaldo Romberg) "unterstellen" formale und metaphorische, d. h. signifikante Transformationen von Topografie bereits als Vorraussetzungen ihrer Projekte - Topografie als eben jene Konfiguration, die die Verfassung eines Ortes 'abbildet'. Andere (wie jene von Christian Hasucha, Hannes Forster oder Norbert Radermacher) initiieren erst solche Transformationen am Ort vor Ort.

Mit dem Begriff der "Translokation" ist also ein Modell beschrieben, solche Konfigurationen und Topografien zu analysieren, sie strategischen Eingriffen zu unterziehen, d. h. eine kulturtechnische Methode entwickelt, die auf eine Redefinition des Ortes zielt.
Die eingeladenen Künstlerinnen, Künstler und Gruppen verfolgen in ihren Arbeiten und Projekten explizit solche Strategien der Translokation, der Verrückung, Verschiebung, Verdichtung und der Übertragung; der konkrete Ort, der je spezifische räumliche Kontext wird dabei von einem Standort zu einem Umschlagplatz, einer Halte- und Schaltstelle von und zwischen flüchtigen, flagranten und permanenten, "ortsansässigen" Besetzungen und Bedeutungen. Das Buch wie die Ausstellung stellen die Frage, inwiefern und mit welchen Mitteln die Kunst derartige Operationen am Ort vollzieht, und versuchen, eine unvollständige, aber in Teilen prägnant formulierte und präsentierte Archäologie der Translokation zu formulieren. "Kunst zwischen Architektur" eröffnet dabei ein Spannungsfeld von diversen und differenten, künstlerischen wie theoretischen Ausgangsmöglichkeiten für Operationen am Ort, wobei der Begriff des Ortes selbst als durchaus je anderer zur Voraussetzung genommen wird. Es existieren also von vornherein keine mit sich selbst identen Orte, vielmehr so viele Projektionen auf ihn, wie es Diskurse um ihn gibt. Insofern etabliert sich auch die Methode der Translokation nur im Feld eines bereits bestehenden Spektrums von (künstlerischen wie theoretischen) Blicken auf den Ort.

Die Ausstellung versammelt also nur bedingt Objekte, die sich selbst als "Werke" präsentieren, oder vielmehr solche, die sich nur bedingt als "Werk" präsentieren. Sie umfaßt vielmehr solche Objekte, die in unterschiedlichem Verhältnis zum System und dem Raum der Ausstellung selbst stehen und von hier aus ihre je anderen Räume entwerfen, sich auf diese beziehen, sie evozieren und in die Gegenwart der Ausstellung projizieren. Die Dynamiken der unterschiedlichen Orte ereignen sich daher auch durch/auf/in verschiedenen Ebenen, Bezügen und Repräsentationen. Skulptur, Fotografie oder Installation erscheinen hier als Medium in sprichwörtlichem Sinn, bündeln sie doch wesentlich abwesende und andere Räume als jenen "vor Ort". Sie sind auf den künstlichen Raum der Ausstellung zwar angelegt (wie jene von Georges Rousse oder Susanne Mahlmeister), implantieren diesem jedoch Syntagma und Strukturen jener anderen Räume, die sie thematisieren und die ihr eigentlicher Anlaß wie Gegenstand sind (der Treppenaufgang, das Pariser Pantheon). Sie konstruieren also Brüche und Diskontinuitäten der räumlichen Syntagma der Ausstellung, indem sie jene Orte, Räume und Körper einführen, Orte, Räume und Körper, die in diesem Ausstellungsraum grundsätzlich nicht präsent sein können, diesem aber einschreibbar sind. Diese Form der Übertragung und Projektion, einer Ein(- und Ver-)schreibung, kennzeichnet einen Moment der Methode, die hier mit "Translokation" bezeichnet wird. Bei GEORGES ROUSSE etwa ist der eigentliche Gegenstand der Arbeit die architektonische Situation eines Treppenaufganges, der durch Bemalung und Beleuchtung in ein Objekt der Fotografie "Ohne Titel" transformiert wird. Diese Verzeichnung und Verschreibung des Ortes hat also als Perspektive das Bild bereits eingeschrieben. Architektur und Bild gelangen in ein ambivalentes und paradoxes Verhältnis, weil die Verzeichnung des Ortes bereits selbst als Bild angelegt und somit Bild ist. Die architektonische Situation wird ein "Tableau vivant", eine Inszenierung, die durch die Anwesenheit vor Ort sofort enttarnt werden würde. Der fotografische Blick auf die Situation ermöglicht somit gerade keinen "eigentlichen" Blick in oder auf die Architektur, weil diese Eigentlichkeit der Architektur, des Innenraums durch die anamorphotischen Eingriffe schon überblendet ist. Das Foto ist kein Blick auf die Welt, keine Aufzeichnung des Ortes und seiner Verfassung, wie sie war, sondern bereits die Dokumentation einer Dissimulation des Ortes. Was die Fotografie zeigt, ist ein grundsätzlich alogischer Ort, obwohl man dessen Anordnungen und Strukturen erahnen kann (doch sind sie gemalt oder "echt"?). Und die Fotografie öffnet die Wand des Ausstellungsraumes nicht als (fotografisches) Fenster, sondern spiegelt einen "unmöglichen Ort" mitten in diesen gegenwärtigen Ort, wie das fotografische Bild in die architektonische Situation gespiegelt wird - ein Austausch grundsätzlich divergierender Ordnungen findet statt, der konkrete Ort gerät ins Wanken.

Ein unmöglicher Ort erscheint auch im Leuchttisch mit dem Titel "Zentrumskunst- Kunstzentrum " von MISCHA KUBALL. Aufnahmen der Fassade des Centre Georges Pompidou in Paris sind derart gegeneinander verschoben, daß sie den Eindruck eines Innenraumes ergeben. Das Leuchtbild oszilliert zwischen abstrakter Form und räumlicher Repräsentation, die sich nicht fixieren läßt und die sich vor allem auf keinen anderen konkreten Raum mehr bezieht als auf jenen, den sie selbst als Vexierbild produziert. Das konstruktive Moment, auf das hin die Fassade des Centre Pompidou konzipiert ist und das ihr ablesbar ist, wird in ihr Gegenteil verkehrt, zu einem funktional und räumlich unentschiedenen Bild einer architektonischen Haut, deren Bezogenheit nicht entziffert werden kann: umschließt sie einen Innenraum oder richtet sie sich gegen ein Außen? Die architektonische Haut wird zu einer bildlichen Oberfläche, die das Projektive der architektonischen Haut, ihr Gerichtetsein, in ein völlig anderes Medium übersetzt und darin auflöst, indem es selbst Gegenstand einer Projektion wird. Als eine solche Bildfläche überzieht sie wiederum ein Objekt, das als Leuchtkasten eine Strahlung produziert, die jene der architektonischen Fassade paraphrasiert, sie sich angeeignet und transformiert hat. Insofern erscheint "Zentrumskunst - Kunstzentrum" als metaphorisches Objekt, als Objekt, das von einer Transformation zeugt und das Kunstzentrum als Raum der Kunst in ein Objekt als Ort der Kunst übersetzt, der Raum implodiert zum Objekt. Mit der Repräsentation von Raum als Innenraum als mögliche Lesart einer rein formal orientierten Anordnung spielt auch das Aquarell von ERNST CARAMELLE. Eine abstrakte Konstellation von geometrischen Farbfeldern evoziert aufgrund einer internalisierten Rezeption solcher Muster einen Durchblick durch eine Reihe von gleichartigen, gestaffelten Räumen. Diese "Räume" lassen sich aufgrund von "Bilddarstellungen" an Ihren "Wänden" als Ausstellungsräume lesen, als eine Raumkaskade, die dem Muster der klassischen Galerie folgt. Diese Thematisierung des Museums, der Bildergalerie im Bild, das wiederum auf das Formenrepertoire der klassischen Moderne referiert, produziert eine - den fiktiven Räumen gleichartige - Assoziationskette von Verweisen und Anspielungen, die Bild und Darstellung rekursiv ineinander verschränken: das Bild ist im Bild selbst gegenwärtig und thematisiert seine eigene Finalität als Museumsobjekt. Der Ort des Bildes, quasi die Teleologie des Bildes ist Inhalt und Modus zugleich: das klassische Tafelbild eignet sich seine kulturhistorische Perspektive an und verweist auf den Ort, den seine Perspektive bildet, und das buchstäblich durch die Paraphrasierung banaler perspektivischer Muster. So gewaltsam diese Perspektive den Blick in das Bild zieht und uns die Räume evoziert, in denen es sich als aufgehoben betrachtet (wünscht?), so gewaltsam hält uns der Modus der Darstellung an der Oberfläche des Bildes: erneut ein Vexierbild, das eine Unentschiedenheit seiner Oberfläche, nicht zurückläßt, sondern instrumentalisiert und strategisch einsetzt.

Eine parallele Strategie gegenüber der Repräsentation und Darstellung von Räumen zeichnet sich in den Arbeiten"Ohne Titel" von ELMAR TRENKWALDER ab. Das Bild-Motiv entstammt der "klassischen" Geschichte der Darstellung des Raumes, der Ordnung der Perspektive, die eine gesetzmäßige Verknüpfung nicht nur der dargestellten räumlichen Konstellationen ist, sondern die auch das Subjekt des Betrachters präzise mit der Darstellung verknüpft. Es gibt nur einen Punkt, von dem aus das Bild seine Logik präsentiert, d. h. als Bild einsichtig wird, wie es bei Georges Rousse nur diesen einen Punkt des Objektivs gibt, auf den hin die Anamorphose der architektonischen Situation sich richtet. Dieser Punkt ist aber zugleich der Ort, den das Bild dem Betrachter zuweist, auf den es ihn fixiert. Die Darstellung selbst greift also in den Raum aus und strukturiert noch den Ort der Rezeption. Elmar Trenkwalder interveniert in dieses klassische Gegenüber, indem er den traditionellen Bildträger der perspektivischen Darstellung, das Tafelbild, durch einen anderen ersetzt: den Teppich (als Material wie als Bildträger mit völlig unterschiedlichen kulturellen Konnotationen und als Objekt in einem völlig anderen Verhältnis zum Raum).

Auch hier wird also der Rahmen einer En- und Decodierung von Raumdarstellung einer Deformation unterzogen. Wieder imitiert die Darstellung kein Fenster in die Welt, keine ästhetische Verschiebung des Betrachters in die Welt der Kunst, sondern es wird dieser Prospekt und Ausblick buchstäblich verstellt, verhangen. Eine Materialität des Trägers blendet sich als der Ort der Darstellung ein und zwischen das Verhältnis von Bild und Betrachter. Die Darstellung negiert sich als Illusion und schiebt sich in den Raum des Betrachters. Dieser steht einem Ding gegenüber, das auf seiner Oberfläche mit dem Raum als Darstellung und mit dem Raum als Wahrnehmung spielt. Die Arbeit interveniert in eine Logik der Verschaltung von Bild und Betrachter und impliziert eine andere Konstellation von (Kunst-) Objekt und Subjekt, auch im Hinblick darauf, wie das Objekt seinen Umraum okkupiert oder seinen Umraum freigibt. Das architektonisch/ skulpturale Objekt, das dem Teppich zugeordnet ist (doch nicht zwangsläufig mit ihm verknüpft ist, d. h. eine unabhängige Arbeit darstellt), deutet diese Objektivierung und Distanzierung, d. h. diese Entflechtung bereits an. Der Teppich oszilliert zwischen Bild und Objekt, zwischen fiktivem Raumfragment und konkretem Raumobjekt - was hier oszilliert, ist schließlich der Status des Gegenstandes als an- oder abwesender, als Medium oder Material. Die Skulptur wiederum weist au eine (nicht nur postmoderne, d. h. semantische) Mobilität von Architektur, sie ist buchstäblich mobil, eine Arche-Tektur, eine tragbare Marke, die ihre Bedeutung mitführt: sie ist der Ort in Bewegung, der sich jedem beliebigen Ort überblendet.

An diese Verknüpfung von Bild und Objekt im Hinblick auf einen - jetzt urbanen - Raum und dessen Wahrnehmung schließt die Arbeit von MARTHA LAUGS an. Ein Baustein, das Symbol des Bauens, wird in zweifacher Weise transformiert: als Gebäudeelement wird er selbst zum Gebäudemodell, seine Hohlkammern werden zu Fenstern, die Stege zu vertikalen Gliederungen dieses "Gebäudes", und: er wird zur Projektionsfläche eines anderen Modells, einer Struktur, die jede Perspektive des Bausteins übersteigt, weil diese auf seiner Grundlage nicht mehr realisiert werden könnten: der Stadtplan von Greenwich Village, Ney York, als Symbol gegenwärtiger urbaner Komplexität und Hypertrophie ist mit einer Emulsion dem Baustein als Bild appliziert. Die Stadt überlagert sich dem Gebäude als ihrem Element, das wiederum dem Baustein als Element des Gebäudes überlagert ist. Auf dem banalen Objekt konzentrieren sich also die Zeichen und Anzeichen einer Kultur der Stadt, einer Urbanität, die auf jene Auszeichnung eines Ortes durch den ersten (Grenz-)Stein als Ursprung jeder Stadt zurückgeht und die in der Auszeichnung des Ortes durch die Aufstellung eines (Bau-)Steines wiederholt wird. Daneben zwei Fotografien, in vordefiniertem Abstand von 10 Metern nebeneinander aufgenommen, ein parallaktischer Blick auf eine Stadt (wiederum New York), zwei Blicke genau genommen, wobei einer in der Vergangenheit des anderen liegt. Der Bild-Stein, die Stele als Markierung eines Ortes und Repräsentation eines anderen, und die Fotografie als Methode der Aufzeichnung, Bestimmung und Vermessung eines bestimmten Ausschnitts werden beide als Techniken der Ortsbestimmung und -übersetzung präsentiert. Der Stein, der Wandteppich und das Foto sind hier also nicht primär Trägermaterialien, sondern Objekte, theoretische Gegenstände, die eine Verrückung initiieren bzw. anzeigen, weil sie selbst "nicht an ihrem Platz sind". Translokation erscheint als Resultat einer "Durchquerung" der Gegenstände mit Hilfe von Projektionen, denen sie ausgesetzt sind und die sie in Richtung auf jenen "Gehalt" hin verrücken, den sie markieren: der Ort als Phänomen "hinter" den Objekten selbst.

In dieser Verschiebung auch des Verhältnisses von Gegenstand und Betrachter durch die Mehrdeutigkeit dessen Status wird die wichtige Rolle, die der Besucher für die Konstruktion der Ausstellung spielt, angedeutet (und dieser Text selbst ist solch ein betrachtender Rundgang). Es ist seine Bewegung durch die Räume und an den Objekten vorbei, das Lesen dieser unterschiedlichen bis gegensätzlichen Objekte und Konstellationen, sein Deuten, das als eine "Schrift" den Schriftzug der Ausstellung überhaupt erst erzeugt. Sein Flanieren produziert erst eine Verschaltung der unterschiedlichen Raumbezüge der Arbeiten und produziert eine Montage von Wahrnehmungs- und Raumfragmenten, in der sich die je spezifische Beziehung des Subjekts zu den präsentierten Konfigurationen entwickelt. Eine mögliche Beschreibung und damit Beschriftung der Ausstellung führt zu Arbeiten, die grundsätzlich anderen Räumen zugeordnet waren, und die in Form einer Dokumentation diese Zuordnung und Verknüpfung vergegenwärtigen. Sie markieren den Ausstellungsraum in einer ganz anderen Form: als Ort klassischer Rezeption, in dem die Räume, auf und in die sie sich richten, eigentlich keinen Ort finden können, es sei denn in Form eines Kommentars, der damit als Marke, als "Startrampe"2 fungiert und die Arbeiten in dieser Form verdoppelt, denn sie selbst sind solche Startrampen.

Der "Grand arc de triomphe" von LUC DELEU bzw. die Fotografie dieses Projekts stellt ein solches verweisendes Erinnern auf "andere Räume" dar. Aus Containern gebaut, führt sich diese architektonische Skulptur quasi selbst ad absurdum. Der Triumpfbogen als memorierendes und damit auf Dauer angelegtes Mal intendiert die absolute Besetzung seines Ortes, die maximale Ausstrahlung in den Raum hinein, eine Persuasio nicht nur der Betrachter, sondern auch des Raumes. Indem jetzt diese denkwürdige und Gedenken produzierende Idee aus Containern realisiert wird, entsteht ein paradoxes Monument. Der Container ist zweifellos als Metapher auf den nomadisierenden Raum zu lesen, ein Raum des permanenten Transports und ein Raum, der restlos der Ware verfügt ist, d. h. der ununterbrochen ent- und beladen wird und dabei jeweils anders besetzt und befüllt wird. Der Container ist nicht nur buchstäblich hohl, er besitzt auch keine definitorische Macht über sein Inneres, er erscheint als materielle Metapher für den Signifikanten, für das variable und flottierende Verhältnis zwischen Bedeutendem und Bedeutung. Ohne Inhalt konterkarikiert der Container alle Ansprüche auf die Definition und Fixierung seiner Bedeutung und damit seiner symbolischen Kraft. Allein als Hort für den Warenverkehr symbolisiert er die Abstrahierung gesellschaftlicher Tauschvorgänge, die sich nicht mehr auf das Objekt gründen, nicht mehr auf die Ware als Objekt, sondern dessen Warenbegriff sich auf die informationelle und operationelle Ebene verschoben hat. Die Ware, das ist der Tausch, der Verkehr von Mehrwertbildungen, das Zirkulieren eines flexiblen Begehrens. Der Triumpfbogen der Ware wird zum absurden Monument, das die Unmöglichkeit zur Monumentalisierung ausspricht und das Monument als das Nicht-Mehr-Mögliche gegenwärtiger urbaner und architektonischer Konzepte vor Augen führt. Als Monument angelegt widerlegt dieser post-industrielle Triumpfbogen das Verschwinden jener Orte, an denen sich Monumente noch "befestigen" ließen - er markiert präzise jenen unmöglichen Ort.

Es erscheint hier ganz anders als in der Fotografie von Georges Rousse neuerlich ein unmöglicher Raum repräsentiert, eine räumliche Vergangenheit, die Erinnerung an Orte. Und Elmar Trenkwalder hatte bereits in der Thematisierung der Perspektive an eine andere gegenwärtig nicht mehr mögliche Repräsentation und Darstellung des Raumes erinnert. Die Trans-Lokation zeigt sich hier als Zurückweisung von Ansprüchen des Ortes und seiner Definition bzw. seiner expansiven Vereinnahmung durch architektonische Zeichen und ihre Sprache. Dem Ort wird in dieser Zurückweisung seine symbolische "Haut" genommen, sein immer noch aktivierter inhaltlicher Überzug: er bleibt entkleidet von Ansprüchen zurück, entsignifiziert und damit als ein anderer. Den Ort translokativ zu modifizieren heißt also nicht nur, in diesen zu intervenieren, sondern auch, diesen durch Konzepte zu fassen, die seinen theoretischen Begriff, die Vorstellung von ihm modifizieren. Die Marke und Markierung ist nicht nur als konkreter Eingriff zu verstehen, sondern als strategische Figur des Denkens über Räume. Insofern sind die Fotografien und Skizzen, die in der Ausstellung auftauchen, nicht nur als Dokumente von Projekten und konkreten Arbeiten zu sehen, sondern auch als theoretische Kommentare zum Thema der Verfassung des Ortes.

Was darin zum Ausdruck kommt, ist die Verrückung der Perspektive auf den Ort, die eine Translokation bedeutet und diese ursächlich bestimmt, die Verschiebung des Blicks - eine Anamorphose, die zutage fördert, was dem direkten Blick auf die Dinge und Räume verborgen bleibt. Was sich dabei ereignet ist nicht einfach eine Dekonstruktion, sondern vielmehr eine Destitution: der Ort erleidet eine Destitution, er hat keinen Namen mehr, keinen Signifikanten, der ihn (eindeutig) repräsentiert, weshalb seine Konsistenz durch die neue Perspektive jeweils erst gebildet wird. Die Translokation besteht in der Identifizierung der Perspektive mit dem Ort: das unterscheidet sie auch von den Konzepten einer Kunst im öffentlichen Raum - das Verhältnis der Definition des Ortes wie des Kontextes zum Ort kehrt sich um: die Projekte selbst sind es, die den Ort erzeugen, indem sie ihn (temporär) anders bestimmen. "(...) das Objekt nimmt nur dann klare und unterscheidbare Züge an, wenn wir es von der Seite her ansehen, d. h. mit einem "anteilnehmenden" Blick, mit einem von Begehren getragenen, durchdrungenen und "verzerrten" Blick."3 Dieser anteilnehmende Blick, der sein Begehren am Gegenstand transportiert, der aufgrund seines Begehrens am Gegenstand diesen transformiert und ihn in einer anamorphotischen Verzerrung nicht nur anders erscheinen läßt bzw. ihn anders wahrnimmt, sondern ihn auch grundsätzlich anders postuliert, dieser schräge Blick erscheint als "Trägerstrahl" der Translokation, die die Orte an Ort und Stelle in sich verkehrt.

Damit zeichnet sich auch eine Stellung der Theorie ab: auch der Raum des Textes, der hier erzeugt wird, zeichnet keine theoretischen oder theoretisierenden Positionen als autarke Kompartimente eines Sinns und/oder einer Bedeutung nach, es werden keine künstlerischen, konzeptuellen Orte skizziert und gegeneinander abgesetzt, sondern die Form der Theoretisierung und der Kritik ist selbst (immer nur) eine der Überschneidungen und Destitutionen und hat selbst Teil am schrägen Blick. Man kann sich also durchaus auch den Text als Raum denken, der nicht nur in die anderen Räume der Ausstellung und der dort installierten Dynamiken im Hinblick auf weitere andere Räume eingereift, sich teilweise mit ihnen überlagert und wieder anderswohin führt, sondern der als Text-Raum immer schon Teil hat an der Verschiebung und an der Verkehrung der Orte. Interferenz und nicht Intervention kennzeichnet dementsprechend die Strategie der Translokation am deutlichsten: die Interferenz von (theoretischem und ästhetischem) Begehren am Ort und seinen kulturellen und damit objektivierten Funktionalisierungen, denen er ausgesetzt ist und die ihn "am und vor Ort" festsetzen möchten, damit er eine stabile Koordinate des Kulturellen bleibt. Auf der Ebene der Translokation taucht schließlich die Dichotomie zwischen subjektivem Begehren und kollektiven Rationalisierungen auf, ohne daß dabei die künstlerischen Strategien der Seite der Subjektivität automatisch zufallen. Der Begriff der Stategie kennzeichnet allein schon die Ebene, auf der der Anspruch des Begehrens an den Ort formuliert wird: er erhält die Form eines präzisen Konzepts, einer analytisch orientierten Entstellung. Translokation ist kein Synonym für das Phantasma.

Die Ausstellung erzeugt also keine einheitliche und kontinuierliche Präsenz, sondern ist in sich selbst diskontinuierlich, gespalten: manche Objekte ruhen hier als in ihrem angestammten Ort (der allerdings auf einen anderen verweist und diesen impliziert), andere erweisen sich als Schaltstelle, als Startrampe für ganz andere Konstellationen, auf die sie abzielen oder abzielten (sie sind eigentlich "mit ihren Gedanken woanders"). Eine solche "Abwesenheit" ist den Arbeiten von Hannes Forster und Ian Hamilton Finlay immanent. HANNES FORSTER betreibt eine Form der Archäologie. Er präsentiert den Mittelstreifen einer Fahrbahn wie die Rekonstruktion einer antiken Schrift, und wie dieser fehlt ihr jeglicher Kontext. Die Lesbarkeit entsteht allein durch die kulturelle Nähe dieses exhumierten und rekonstruierten Zeichens zum Betrachter. Auf dieser Nähe beruht die Diskrepanz, die es eröffnet, die paradoxe Unangemessenheit ihrer Gegenwart (antike Statuen sind ihrem künstlichen Umraum, dem Museum, bereits dermaßen assimiliert, daß sich Fremdheit von Objekt und Kontext nicht mehr einstellt; ihnen ist das Museum bereits zum natürlichen Ort geworden). Die fragmentarische Rekonstruktion eines Fahrbahnmittelstreifens im Rahmen eines Innenraumes stellt jedoch gerade diese Frage nach seinem "natürlichen" - und das kann nur sein: der kulturell definierte - Umraum. Dieses skulpturale Stück Archäologie verweist auf die permanente und zum Teil unauslöschliche Beschriftung der Natur, die unter dieser Beschriftung verschwindet und alles in eine Frage der Kultur und der Geschichte verwandelt (und damit in Orte, an denen sich Kultur und Geschichte ereignet). Die skulpturale Installation wird zu einer metaphorischen Rekonstruktion dieser Verortung von Kultur. Skulptur wird hier zu einer Form des Graffiti, zu einer Übertragung von Beschriftungen auf Oberflächen und in Räume, die für andere Projektionen und Beschriftungen konzipiert worden waren. Es geht also nicht nur um eine Metapher für Verkehrswege, den unaufhörlichen Transport von Dingen und die Eroberung von Räumen für diesen Transport, d. h. nicht nur um die Vektorisierung und Funktionalisierung des Raumes zu einer Begleiterscheinung der Verkehrswege. Es geht auch um die Struktur der Markierung und Beschriftung als kulturelles Leitsystem insgesamt, das alle Räume durchkreuzt und vermißt, kartografiert und eine zunehmend selbstbezügliche Ordnung konstruiert. Und es geht um die Übersetzung einer Skulptur in Beschriftung, d. h. erneut um eine Ambivalenz des Objekts und seines Status als Objekt im und zum Raum. Es sind nicht nur der Raum und der Ort, die einem Perspektivwechsel unterliegen, auch das Objekt wird Objekt der Translokation.

Die historische Dimension, die im "Schriftobjekt" von Johannes Forster eine Rolle spielt, bildet eines der Zentren in der Arbeit von IAN HAMILTON FINLAY. Sie taucht dort als zeitliche Tiefe des Ortes auf und wird ebenso durch einen Akt der Beschriftung manifest. Die Dimension des Historischen steht bei Finlay allerdings in einem Spannungsverhältnis zum Ort vor der kulturellen Sigifikation, d. h. in einem Spannungsverhöltnis zur "Natur" des Ortes. In einem Spannungsverhältnis deshalb, weil die Natur des Ortes selbst unzugänglich ist, da es den Ort in der Natur nicht gibt. Einen Meilenstein etwa - "A Wayside Text" - in eine natürliche Umgebung zu setzen, heißt bereits, diese für die Geschichte zu annektieren, den Ort in einen Durchgangsort der Geschichte zu verwandeln, der Geschichte diesen Ort (als Text, als Textur) zu erobern und die Natur des Ortes zu beenden, d. h. eine Cäsur in seiner Phänomenologie herbeizuführen und den Ort radikal anders zu definieren. Hier wird der Mechanismus der Translokation einsichtig: es ist nicht der Ort, der dem Objekt etwas hinzufügt oder seine Position vermißt, es sind die Objekte, die die Orte konstruieren und ihre Topografie erst erzeugen. Die historische Tiefe des Ortes, seine Geschichte beginnt erst mit dem Integrieren des Ortes in die Koordinaten der Kultur, die zugleich Koordinaten der Schrift und der Beschriftung sind. Die Ausbreitung dieser Koordinaten tilgt die Leerstelle als das Andere des Ortes. Die oft marginale Qualität der Objekte, die Ian Hamilton Finlay in der Landschaft plaziert, erscheint wie eine Zurücknahme der radikalen Annektion, die die Inbesitznahme des Ortes darstellt, wie ein Noch-Ermöglichen jener Leere, diese aber dennoch beseitigt und die Inbesitznahme vollzieht. Folgrichtig sieht sich Finlay auch primär als Schriftsteller denn als Künstler, denn was er betreibt, ist eine Beschriftung der Welt, die einer Verdoppellung ihrer kulturellen Struktur entspricht. Die klassische Formensprache, deren er sich bedient, rekuriert auf den Kulturbegriff, wie ihn sich die westliche Welt selbst gebildet und verliehen hat. Schließlich erscheint unter diesen Vorzeichen die kulturelle Tat selbst als unaufhörliche Translokation von Orten und Räumen, die Generierung einer Qualität, die die Orte und Räume vor der Kultur nicht aufweisen konnten.

Arbeiten wie jene von Ian Hamilton Finlay transportieren zurückliegende und entfernte Raum- und Sinnbezüge an und in diesen konkreten Raum der Ausstellung - eine große Konstante in der Ausstellung sind dementsprechend all die abwesenden Räume, von denen dabei erzählt wird, die hier repräsentiert werden oder als Fragmente gegenwärtig sind. An dieser Abwesenheit zeigt sich nochmals die eingangs erwähnte Formel, daß in dieser Ausstellung nur bedingt "Werke" gegenwärtig sind. Hinzufügen läßt sich jetzt, daß sie nur zum Teil gegenwärtig sind und ihr Abwesendes dasjenige ist, daß oftmals umkreist wird, dem sich die Präzision der Arbeit zuwendet: der öffentliche Raum. Dabei muß aber nochmals eine Unterscheidung zum Begriff einer "Kunst im öffentlichen Raum" getroffen werden. Die Arbeiten, die die Ausstellung umfaßt, sind keine öffentlich gemachten Skulpturen, folgen keinem Transfer von künstlerischen Aspekten in Kontexte der Öffentlichkeit. Insofern findet auch nicht primär ein Transfer von Bedeutungen statt. Es geht nicht darum, der Kunst einen Ort im öffentlichen Raum zu erobern oder Zellen aus diesem als Kunst-Zellen herauszuschneiden, sondern darum, eine umfängliche Transformation zu intendieren, von der (künstlerischen) Marke her den Ort quasi als "Peripherie" dieses Eingriffs zu deuten und ihn radikal zu dislozieren, d. h. daß etwas anderes an diesem Ort Platz greift, das sich von diesem anderen aber nicht als Differenz (Kunst) unterscheidet. Kunst erscheint dabei selbst als öffentliches Material, als Material der Öffentlichkeit, das in diesem Eingriff und in der Anamorphose des Ortes verschwindet. Der Begriff der Kunst selbst ist dabei vielleicht nur ein sekundärer; es geht vor allem darum, die Arbeiten nicht als eine Verschiebung der inhaltlichen Konfiguration eines Ortes zu begreifen, sondern als formale Strategie, d. h. als Anordnung von strategischen Interventionen, als Konfiguration von formalen Aspekten, die den Ort qualitativ in und gegen sich selbst verschiebt. Im Zentrum steht nicht die Modifizierung von Bedeutungen durch andere Bedeutungen, sondern Anordnungen, die einen Spalt in den Sinn und die Bedeutung des Ortes treiben. Exemplarisch hierfür erscheint die Arbeit "Jetzt" von CHRISTIAN HASUCHA. Auf einer Fassadenmauer sitzt für die Dauer von drei Wochen allabendlich ein Mann auf einem dort verankerten Stuhl. Dieser Mann betätigt in beliebigen Intervallen einen Fußschalter: das Wort "Jetzt" leuchtet als Neonschrift auf. Dieses lakonische Statement hat keinen Bezug zum Ort, zu dem Geschehen, das sich vor Ort ereignet. Es ist nichts weiter als die selbsbezügliche Kommentierung eines Geschehens: jetzt einen Kontakt zu betätigen. Dieses willkürliche Zeitmaß blendet sich buchstäblich über die Zeitordnung des Ortes, ohne dieser zu entsprechen oder dieser zu folgen. Ironisch bezieht sich diese Leuchtschrift natürlich auch auf die permanenten Bestrahlungen der Orte durch Werbemittel aller Art und deren Unsinn, oder besser: Nicht-Sinn. Wesentlich ist allerdings die Gleichgültigkeit gegenüber der (zeitlichen) Struktur des Ortes, gegenüber den Abläufen, die ihn überziehen und definieren. "Jetzt" führt ein indifferentes Moment gegenüber dem Ort ein, ist keine kunstorientierte inhaltliche oder ästhetische Analyse, sondern die schlichte Spiegelung der Willkür der Bedeutungen kultureller Strukturen und Muster, indem es auf das geschäftige Treiben entlang von diesen Notwendigkeiten und/oder Begehren die lakonische Tatsache projiziert, daß jetzt "Jetzt" ist. Doch durch diese Tatsache ist der Ort jetzt, was er in Abwesenheit von "Jetzt" nicht mehr ist. Es ist nicht mehr der Ort, der existierende Kontext, der die Intervention definiert, es ist nicht mehr die Vorgängigkeit des Ortes, die der Begriff "Kunst im öffentlichen Raum" nach wie vor indiziert, sondern es ist jetzt der Ort, der erst durch eine Markierung als "Jetzt", d. h. als Ort definiert wird. Jenseits dieser (zufälligen) Belichtung des Ortes ist er nicht. Insofern ist diese Arbeit von Christian Hasucha exemplarisch für jenen hier oft erwähnten Mechanismus der Überblendung, eines Eingriffs, der nicht notwendigerweise etwas verändert, sondern den Ort grundsätzlich anders "beleuchtet": Translokation erscheint somit als jene andere Perspektive auf den Ort, die ihn anders sieht und innerhalb der Arbeit darstellt. Der Ort ist von einer Intervention her zu lesen, die sich als Übertragung darstellt: während eines Eingriffs, der sich auch als künstlerischer darstellen kann, wobei jedoch die strategische Komponente wesentlicher ist, während solch eines Eingriffs ist der Ort ein anderer, wird seine Konfiguration durch eine andere überblendet und substituiert. "Jetzt" produziert hier buchstäblich einen "anderen Raum": Translokation.

YUJI TAKEOKAs "Clean Air Automat" steht in einem anderen und buchstäblicheren - gleichzeitig allerdings symbolischeren - Austauschverhältnis zu seinem Umraum. An diesem läßt sich die Entdifferenzierung, nicht zwischen Kunst und Alltag, aber zwischen Kunstobjekten und Alltagsgegenständen ablesen. Diverse Automaten als Spender diverser Snacks und kleiner Erfrischungen bevölkern als Meublement den Stadtraum, vor allem solche Orte, die als Schnittpunkte im Personenverkehr fungieren. An solche Orte begibt sich auch Yuji Takeoka und stellt diesen Automaten seinen eigenen entgegen, der zudem ein seltenes Gut innerhalb des Stadtraumes spendet: saubere, frische Luft. Es geht nicht darum, das besondere Objekt für den besonderen Ort zu finden und zu installieren, nicht darum, ein Objekt zu exponieren, sondern eine Affirmation des Ortes zu vollziehen, die sich in einer Angleichung der (Kunst-)Gegenstände an das alltäglich benützte Objekt zeigt. Die Affirmation hat lediglich darin ihr Ende, indem eine Irritation den Gebrauch "trifft". Die Dysfunktionalität des Objekts, die sich erst auf den zweiten Blick einstellt, erscheint dabei als ironische und zugleich strategische Metapher für die Dysfunktionalität des Ortes und seines Gebrauchs, wobei gerade der Gebrauch, die selbstverständliche Benützung von Dingen und Orten diese Dysfunktionalität indiziert. Der Automat ist jenes Objekt, das die grundlegende Distanz des Subjekts zum Ort vergegenständlicht, die Entortung des Körpers auf dem endlosen Transit des Subjekts durch den urbanen Raum, die Austauschbarkeit der Orte und der Befindlichkeiten. "(...) doch ist der Ort im Zeitalter der Kopie tatsächlich wieder zur bloßen Stelle geworden, zum Container, der als mobiles, nacktes, neutrales, einfältiges Geviert Durchgangsort für jeden aufgenommenen Wareninhalt wird und jeden eigenen Aufenthaltsort zum Durchgangsort macht".4 Kunst etabliert sich in diesem vektoriellen Gefüge von Durchdringungen der Orte und des Raumes auf jener kollektiven Ebene einer permanenten Besetzung und eines gleichzeitigen permanenten Aufgebens der Orte; Kunst wird dabei zu einer Ware (wie die Luft zu einer Ware geworden ist), zu einem Objekt des Transfers, das Räume durchmißt, besetzt, transloziert, und - aufgibt, d. h. wieder verläßt. Sie nähert sich also denjenigen Objekten an, die tagtäglich durch diese Durchgangsorte verschoben werden und in ihnen zirkulieren. Es ist nicht die Frage der Kunst, die im Mittelpunkt steht, sondern es ist die Frage nach der noch möglichen Bespielung von Orten überhaupt und die Konzeption solcher Bespielungen aus dem Diskurs der Kunst heraus. Der Diskurs der Kunst wird dabei zu einer flexiblen Meta-Ebene, die in der Lage ist, architektonische, kultur- und kunsttheoretische Überlegungen zu integrieren. Ganz im Sinne Vilém Flussers ist es die Kunst, die in der Lage ist, einen derartigen formalen, d. h. nachgeschichtlichen Diskurs zu initiieren. "Unberührt von historischen und funktionalen Interessen kann sie also parafunktional und parahistorisch Position beziehen und sich dabei auch noch selbst in Frage stellen"5. Auch, wenn hier so viel vom Raum und vom Ort die Rede ist - grundsätzlich zielen die ausgestellten und hier umkreisten Projekte und Arbeiten auf seine Entzauberung, in letzter Konsequenz auf seine Aufl- und Ablösung (als jener traditionelle, stabile und eingefaßte Ort).

Diese Negierung des Ortes (der Punkt, an dem seine Dysfunktionalität sichtbar wird), die eine Negierung seiner bedeutenden und strukturierenden Konsequenzen ist, zeigt sich ähnlich wie bei Christian Hasucha auch in der Arbeit "Ohne Titel" von NORBERT RADERMACHER. Zwei Metallvasen wurden ursprünglich neben einer Stadtautobahn aufgestellt und sind in der Ausstellung nochmals plaziert. In der Beiläufigkeit dieser Möblierung des Stadt- bzw. des Ausstellungsraumes zeigt sich diese Negierung der Bedeutung des Ortes (als Innen- oder Außenraum), aber auch die Negierung der bedeutenden und künstlerischen Geste, die Negierung der Geste als künstlerische. Radermacher sucht die marginalen Elemente des Ortes, seine Ränder und interveniert sozusagen am Rande des Ortes, um den Ort herum, er sucht die Leerstellen, diejenigen Objekte und Konstellationen, die den Ort weniger definieren als begleiten: seine diversen Einfassungen und Ornamente. An diesen Stellen interveniert er in Form einer zurückhaltenden Beeinträchtigung, ohne jede Monumentalität und Augenscheinlichkeit. Die Verrückung des Ortes greift in dessen Hintergrund, als metaphorische Modifizierung und Deplazierung. Diese Geste setzt allerdings jene eminente Verschiebung in Gang, die den Ort in ein Jenseits seiner alltäglichen Wahrnehmung führt und diese irritiert. Die beiläufige Beeinträchtigung ist in der Lage, die Fundierung der Orte, ihren Sinn und ihre "Benützung" zu destituieren und sich so auch gegen die selbstverständliche In-Gebrauch-Nahme durch das Subjekt zu richten.

Eine weitere Arbeit in der Ausstellung, die den Ort jenseits eines solchen Gebrauchs führt dabei allerdings die radikale Negierung des Ortes in eine andere Richtung vorantreibt, ist "Giga Bips" von KAPLAN & KRUEGER. Sie steht in einer Reihe von architektonisch orientierten Modellen von urbanen Strukturen, die jedoch nicht als Modell im engeren Sinn fungieren (d. h. nicht einer intendierten baulichen Realisierung vorangehen). Es sind Konzept-Objekte, Hypothesen und Spekulationen, die die Idee der mobilen Stadt sowie jene der Stadt als Maschine verfolgen, wenn auch nicht als ein zu realisierendes Konzept, so doch als Forschungsgegenstand, der allerdings zu einem extremen Ende gebracht wird. Der Titel referiert auf Datendurchsatzraten - Bits per second -, d. h. auf kommunikative Austauschvorgänge, im übertragenen Sinn also auf die Durchsetzung architektonischer Strukturen durch immaterielle Bewegungen und Verschübe. "Giga Bips" ist ein - durchaus auch ironischer - Kommentar zur vollständigen Funktionalisierung und inhärenten Automatisierung urbaner - und damit auch sozialer - Mechanismen, zu den selbstbezüglichen Zirkulationen, die die Städte jenseits ihrer architektonischen Struktur permanent durchziehen. "Giga Bips" ist eine "Stadt" ohne Ort, jenseits aller Orte, ein Raumschiff. Als eine solche flottierende Architekturmonade hat sich "Giga Bips" von dem Raumkonzepten der Architektur - natürlicher Umraum, Kulturlandschaft, Genius loci etc. - völlig befreit. Am anderen Ende der Archäologie von Hannes Forster angesiedelt, zielt "Giga Bips" auf eine Selbstbezüglichkeit des Ortes, der quasi mit sich selbst auf der Reise ist und zukünftigen Archäologen keine Anhaltspunkte mehr für eine Topografie liefert, d. h. keine Vermessung des (kulturellen) Geländes mehr erlaubt (und damit jenseits der Schrift, der Beschriftung führt). "Giga Bips" stellt damit eine zeitgenössische Variante des nomadischen Zeltes dar, das, jederzeit transportabel, am Ort seiner vorläufigen Verankerung einen gleichermaßen vorläufigen Mittelpunkt der Welt postuliert.

Dieser Transport von Architektur, diese Architektur als Form des Transports, der immer auch ein Transport des Ortes ist, den die Architektur erschließt, wird sozusagen sinnbildlich im "Koffer" von OSVALDO ROMBERG, ein als Multiple angelegtes "Objekt", das jeweils in Zusammenhang mit Projekten steht, die sich auf je unterschiedliche Architekturen und Aspekte von Architektur beziehen. In Anlehnung an die Schachtel im Koffer ("Boit en valise") von Marcel Duchamp wird Architektur in Form von maßstabsgetreuen Modellen zu einem Reisegut, das somit die Reise zu den Orten der Architektur vorwegnimmt, weil die Orte selbst sozusagen transportabel und bereits angeeignet sind. Für Romberg ist Architektur, sind Architekturkonzepte und -realisierungen ein Fundus, Material, das zum Gegenstand von diversen Untersuchungen, Interpretationen und Kommentaren wird, das dabei allerdings operabel wird, mit und an dem Operationen vollzogen werden, die die Architektur jenseits ihrer konkreten Situation thematisieren, als selbstbezügliche Konfigurationen, die von Romberg in ganz anderer Weise wieder in räumliche Kontexte gesetzt werden - hier als Gepäck, als symbolische Miniaturen einer spezifischen Kulturgeschichte. In gewisser Weise gleichen die Modelle, jedes für sich in einer kleinen Schachtel im Koffer, dem autarken System, dem Raumschiff von Kaplan & Krueger: jenseits aller Orte auspackbar, aufstellbar, nachbaubar, verwerfbar - Architektur als Software. Der Koffer indiziert eine kulturgeschichtliche Verdichtung und Assimilierung, die, ausgehend von einer Literarisierung der Kultur jetzt auch die Architektur ergreift und umfaßt. Das Architekturzitat wird zu einer zeichenhaften Markierung auch der Raumkonzepte, der Theorien über den Ort, seine Inszenierung als Denkmal, als Repräsentations- oder Kommunikationsfeld etc. Osvaldo Romberg präsentiert seine Modelle also ebenso als theoretische Objekte, für ihn stellt sich Architektur als eminente Kulturtheorie dar, deren formalen Strukturen und (An-)Ordnungen er jenseits jeder Semantik untersucht, analysiert, und die ihm zur materialen Grundlage seiner Arbeiten werden.

Eine ähnlich analytisch orientierte Arbeit stellt "Pantheon" von SUSANNE MAHLMEISTER dar, die über die Architektur die Frage nach dem Ort bzw. seiner Darstellung und Definition stellt. Ähnlich wie Joseph Koshut entwickelt sie eine dreiteilige Beschreibung - Lageplan, Fotografie, Grundrißmodell - als theoretische Umkreisung des Ortes, seiner Vermessung und Einmessung. Um welchen Ort handelt es sich aber: um jenen, den der Plan anzeigt und lokalisiert, um jenen, auf den sich die Fotografie richtet und den diese beschreibt, aufzeichnet und ausschneidet, oder um jenen, der durch das Modell selbst eingenommen wird, unter/hinter dem der Ort verschwindet und das Gebäude sich erhebt. Architektur erscheint erneut als Beschriftung des Raumes, die die Orte erzeugt und sie gleichzeitig in diverse Diskure transponiert. Entgegen dem Ort der Nomaden, der sich immer unter den Füßen befindet, der buchstäblich be-setzt wird, ist die Architektur jenes Medium (jener Automat), das eine fundamentale Distanz zum Ort einführt und sich grundsätzlich als Überblendung und Ausblendung manifestiert. Die Frage nach dem Ort ist (längst) zu einer Frage nach den Modi der Bezeichnung der Orte geworden. Die Arbeit von Susanne Mahlmeister bringt jedoch diese mediale, und das ist gerade: die tranlokative, Dimension der Architektur wieder zur Sprache, die (ebenfalls längst) hinter ihrer funktionalen, ästhetischen oder stilistischen Dimension zurückgetreten ist. Die Distanz und Fremdheit gegenüber der Architektur (in der Frage nach ihrem Ort) bringt jenen Hintergrund wieder zum Vorschein, vor den sich die architektonische Beschriftung der Welt immer schon geblendet hat: der Ort vor seiner Beschriftung und ohne jede Bezeichnung, den allerdings die Arbeit selbst auch nur als Folie präsentieren kann, vor der sie ihre Modi der Vermessung und Beschreibung vornimmt.

WEINMAYR/KRODER/KÖRNER installieren lediglich mehrere Postkartenständer und bestücken sie mit diversen Postkarten ihrer Arbeiten. Sie liefern damit eine Paraphrase auf das klischeehafte Rezipieren von fremden Orten, solchen, die man bereist haben könnte, oder solchen, die man über derartige Motiv-Standards "dokumentiert". Es handelt sich aber durchwegs um Postkarten ihrer eigenen Arbeiten, die sie über eine solche Paraphrasierung in den Status von Sehenswürdigkeiten heben. Was die Postkarten ins Spiel bringen, ist der fotografische Raum als jener reduzierte und reduzierende Blick auf die Welt und ihre Erscheinungen, der in einer endlosen Tautologie die "View points" als Bildform reproduziert und die Welt in eine Reihe von fragmentarischen Ansichten verwandelt. In dieser Tautologie, die mehr einer Logik der fotografischen Re-Repräsentation folgt als einer Logik der realen Orte und ihrer Erscheinung, zeigt sich der fotografische Raum zunehmend als ein mentaler Raum, als bildhafte Formulierung der (fiktiven) Vorstellungsbilder und Projektionen auf Orte als Kulminationspunkte eines Erlebnisses von Kultur. In der Fotografie dokumentiert sich die Herrschaft über den Raum, die Beherrschung der Orte in einer Herrschaft über die Bilder von den Orten. Jedoch geht es nicht um reale Sehens-Würdigkeiten, sondern um Arbeiten und Projekte der Künstlergruppe. Die künstlerische Produktion selbst ist ebenfalls längst erfaßt von der "Ideologie" der Sehenswürdigkeit, unzählige Kunst-Postkarten erzählen von der Mystifizierung des Werkes als Ausstrahlungsort einer Aura, des besonderen Erlebnisses, auf dessen Suche Millionen Menschen die Kontinente durchqueren: auf der Suche nach Postkarten, deren Motive, die realen Orte und Gebäude und Mosaiken usw. längst hinter diesen ihren transportablen und operablen Reproduktionen verschwunden sind, in dieser Form nicht mehr zugänglich sind oder wahrgenommen werden können. Indem Weinmayr/Kroder/Körner ihre eigenen Projekte präsentieren, enttäuschen sie dieses Begehren an den Meisterwerken, den Sehenswürdigkeiten, das Begehren nach einem besonderen Ort jenseits der "gewöhnlichen" Erfahrung der Welt. Die Enttäuschung rückt den Besucher sozusagen zurück an seinen Platz in der Ausstellung und präsentiert ihm kleine Bilder von Werken, die er nicht kennt und die über eine Postkarte nicht zu erkennen sind, weil sie gerade mit dem konkreten Ort, dem konkreten Raum und seiner Erscheinung, seinen Qualitäten und spezifischen Kontexten arbeiten - eine Konkretion, die sich nicht in ein Bild übersetzen läßt und die hinter einer Postkarte niemand mehr vermutet.

Die Postkarte erscheint hier als das neuralgische "Objekt", das nicht an seinem Platz ist, das seinen Platz innerhalb dieser Repräsentationskette nicht einnimmt, ganz wie die künstlichen Kühe unter einem Plexiglaskubus, wie sie die Fotografie des "Kuhprojekts" von FORMALHAUT zeigt. Das Foto führt uns in eine ländliche Idylle, eine Idylle, die aber empfindlich durch die Radikalität beeinträchtigt wird, mit der eines ihrer wichtigen Elemente Opfer einer artifiziellen Rekonstruktion wird - die unvermeidlichen weidenden Kühe. Die Positionierung dieser Objekte innerhalb einer landschaftlichen Idylle greift eminent in den Charakter der Szene ein: Landschaft, wirtschaftlich genutzter, kultivierter "Naturraum" wird zum Schauplatz einer Inszenierung, die eine radikale Fremdheit einführt und damit die Szene in eine Distanz rückt, den genießenden, ausschweifenden Blick von seinem begehrten Anblick entfremdet und ihm diesen entzieht. Landschaftliche Idylle wird durch diese Inszenierung zu einem ebenso artifiziellen Produtk einer Projektion, eines Begehrens am Ort. Die extrem exponierten künstlichen Kühe verstellen plötzlich den Blick auf Landschaft, bringen diese Landschaft als Vorstellungsbild zum Verschwinden und setzten an ihre Stelle die Vorstellung eines nahezu vollständig kulturalisierten und damit selbst höchst artifiziellen Landschaftsraumes. Was die "Kühe" zum Vorschein bringen, ist der permanente und immer schon stattgefundene Zugriff auf den Ort, der den Ort (die Landschaft, den Kulturraum) zu einem Produkt transformiert und seinen Anschein zum Verschwinden bringt. Was diese seltsamen Objekte überdies vor Augen führen ist wiederum jene Entdifferenzierung von Kunst, Kultur und Natur, da diese Begriffe den Elementen auf der Fotografie nicht eindeutig zugeordnet werden können. Die Inszenierung von künstlerisch intendierten Objekten in diesem Kunst-fremden Umraum kennzeichnet diesen Umraum selbst als ein Produkt, als Kunst-Produkt, als ein "Objekt", das von einem spezifischen Diskurs produziert worden ist, eine nach strategischen Gesichtspunkten angelegte und organisierte Landschaft, die aus diesem Grund nicht per se nicht (auch) ein Ort von Kunst ist. Die Positionierung der künstlichen Kühe in der Landschaft zeigt, daß die gesamte Topografie ein Schauplatz von kulturellen Eingriffen und Ordnungen ist und damit immer schon auch ein möglicher Schauplatz von Kunst, weil sie denselben paradigmatischen Mustern solcher kultureller Ordnungen unterliegen und von ihnen erst produziert wurden. Nicht nur die Differenz von Kunst und öffentlichem Raum verschwindet hier, sondern zudem jene zwischen Kunst und Natur, weil Natur selbst als Produkt der Kultur dargestellt wird.

Die Beschriftung der Ausstellung hat uns von einem öffentlichen Raum, der als urbaner Raum zu verstehen war und als solcher Ausgangspunkt verschiedener Arbeiten und Projekte war in den Ausstellungsraum geführt, zu Arbeiten, die von dort aus jene öffentlichen Räume indizieren und thematisieren, zu Fragen über den Status von Automaten, Modellen, Fotografien, und schließlich von dort wieder in den öffentlichen Raum, der sich schließlich als (scheinbar) natürlicher ansprechen ließ. Diese Verstreuung der Motive und Bezüge war ein wesentlicher Punkt in der Zusammenstellung der Ausstellung, in der es demnach weniger um Architektur denn um Fragen, Spekulationen und Hypothesen im Zusammenhang mit dem Ort im Allgemeinen geht, die verschiedenen (theoretischen und künstlerischen) Positionen, die einen je spezifischen Begriff eines Ortes bzw. des Zugriffs und die Transformation eines Ortes produzierten. Das hat zur Folge, daß der Begriff des Ortes selbst kein homologer geblieben ist und im Rahmen und der Entwicklung des Textes immer wieder andere und unterschiedliche Konnotationen angenommen hat, die nicht immer ausdrücklich dargelegt wurden. Der Begriff des Ortes zeigte auf eine räumliche Koordinate von unterschiedlicher Ausdehnung und Komplexität, in jedem Fall aber war er als ein Schnittpunkt von Bewegungen, Aktionen, Repräsentationen, Kräftefeldern usw. gedacht, als Stelle einer Konzentration, auf die hin verschiedene Strategien hin konvergieren, auf die hin sich diverse Projektionen richten: ein Knoten, an dem anzusetzen und ihn mit einer weiteren Projetion zu überlagern, ihn durch eine Übertragung von Bedeutungen, Assoziationen, Ideen, formalen Motiven usw. zu modifizieren auf einen bestimmten Effekt der Effizienz hoffen kann. Wesentlich dabei blieb immer der Aspekt der Verrückung dieser Muster des Ortes an Ort und Stelle, d. h. der Eingriff in die Hierarchie des Ortes, in seine vertikale Konstitution. Insofern ist der Begriff der formalen Strategie zu verstehen, nicht als ein ästhetischer Eingriff, sondern als eine Manipulation, die die Form dieser Hierarchie, die Erscheinung des Ortes fundamental verkehrt. Insofern der Ort als eine Schichtung von Bedeutungen, Projektionen und Erfahrungsmustern verstanden wird, bedeutet Translokation eine Transformation dieser Schichtung, dieser Tektonik des Ortes. Die Strategie und Methode der Translokation erscheint dabei als Äquivalent zur Archäologie, einer Archäologie allerdings, die nicht eine Rekonstruktion sondern eine Destitution zum Ziel hat: eine Umbildung der Konstitution, die den Ort als etwas anderes erscheinen läßt. Dieses "Andere" läßt sich jetzt aber nicht mit dem Begriff der Kunst subsummieren, nicht als Kunst im öffentlichen Raum bezeichnen sondern im wesentlichen als "Kunst als öffentlicher Raum", Kunst als Generator von Orten, die sich dem Begriff der Kunst entziehen und gleichzeitig den Begriff vom öffentlichen Raum modifizieren. Orte als Zwischenräume, als "Zwischenorte", "gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können. Weil diese Orte ganz andere sind als alle Plätze, die sie reflektieren oder von denen sie sprechen, nenne ich sie im Gegensatz zu den Utopien die Heterotopien."6 Translokation: die Kunst der Produktion von Heterotopien.

1 Vgl. Marc Mer, "Ort Ort "Ort" (Ort) ( )", in: Marc Mer u. A. (Hg.), Translokation. Der ver-rückte Ort. Kunst zwischen Architektur, S. 155-246, S.
2 Slavoj Zizek, Mehr-Genießen. Lacan und die Populärkultur, S. 21.
3 Marc Mer, "Ort", S. 237.
4 Marc Mer, "Ort", S. 244.
5 Michel Foucault, "Andere Räume", in: "Translokation", S. 11-20, S. 14.



© Reinhard Braun 1994

erschienen in:
Marc Mer (Hg.), "Translokation. Der ver-rückte Ort. Kunst zwischen Architektur", Ausstellungskatalog, Triton: Wien 1994



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