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![]() Texte![]() Reinhard Braun Kunst zwischen den Medien (V) "Nie ist ein Arrangement technologisch, es ist gera-dezu das Gegenteil der Fall. Die Werkzeuge setzten eine Maschine voraus, und die Maschine ist immer sozial, bevor sie technisch wird. Da ist immer eine soziale Maschine, die die technischen Elemente auswählt oder zuteilt, die Verwendung finden." Medien stellen in je spezifischer Weise kulturelle Tatsachen her und verknüpfen und verketten diese mit weiteren kulturellen Formationen und Artefakten. "Nicht als Vehikel eines Inhalts, sondern durch die Form und Operation selbst induzieren Medien ein gesellschaftliches Verhältnis." (Jean Baudrillard) Von daher stellt sich jede Frage an ein komplexes Syndrom wie die Zusammenhänge von Kultur, Medien und Kunst gerade nicht allein vor dem Hintergrund einer Technikimplementierung (Hardware Requirement), sondern vor dem Hintergrund einer immer schon vorhandenen Technizität und Technolo-gizität kulturellen Austauschs, eines Austauschs, in den selbstver-ständlich auch jede künstlerische Produktion involviert ist. Was dann zur Diskussion steht, ist die Kennzeichnung der je konkreten (diskuriven) Bedingungen, unter denen im Rahmen künstlerischer Verfahrensweisen technisch/technologische Prozesse zum Einsatz gelangen, und inwiefern diese Bedingungen die Ebenen des Austauschs mit und innerhalb der Kultur verschieben (bzw. solche Verschie-bungen anzeigen oder markieren: denken wir an die experimen-tellen kommunikativen Handlungsfelder in den Projekten von Robert Adrian X, an die politischen Optionen in den projekten von Valie Export und Richard Kriesche, die epistemischen Ansätze in Projekten Peter Weibels; in jedem Fall geht es um Aspekte gesellschaftlicher Transfers, Kommunikation und Repräsentation). Die "Revolution" ist dann immer eine kulturelle, keine technologische. Insofern zeichnen sich in diesem mehr oder weniger spezifischen künstlerischen Terrain, das mit dem Begriff "Kunst zwischen Medien" eher vage umschrieben ist, genauso jene Bruchstellen und offene Horizonte ab, von denen eine immer schon mediatisierte und sich zunehmend technologisierende Kultur insgesamt gekennzeichnet und durchzogen ist, Bruchstellen und Verschiebungen, die auf eine ständige Neuordnung kultureller Zuschreibungssysteme insgesamt weisen, d. h. auf permanent stattfindende Neukonfigu-rationen kultureller Ordnungen - die Genealogie, die in diesen Beiträgen zu skizzieren versucht wurde, ist also keineswegs eine künstlerische im engeren Sinn, geradezu das Gegenteil ist der Fall: im Mittelpunkt stand dieses "zwischen", die Konjunktion, Negation, Exklusion oder Diversifikation. Worauf aber richtet sich dieses Bindeglied/diese Trennung, um sinnvollerweise von einer Genealogie sprechen zu können (ohne gleich eine Homologie konstruieren zu wollen, ganz im Gegenteil)? Was die beiden Pole Kunst und Medien (unter anderem, aber doch zentral) aufeinander zu beziehen scheint, lässt sich immer noch als Repräsen-tation umschreiben.
Damit sind Fragen nach Referenzen nicht mehr ontologisch zu stellen (was man noch von manchen medienkritischen Arbeiten der 60er und 70er behaupten könnte, markiert etwa durch "Die Eroberung der Natur", 1973, von Peter Weibel: "3 Modalitäten der Ontologie: Realität, gefilmte Realität (videoaufgezeichnete Realität) und videoaufgezeichnetes Videoband" - ein Modell der Ordnung verschiedener Repräsentationen, bezogen auf ihren "Abstand" zu Wirklichkeit), sondern operational. Repräsentation ist nicht mehr durch eine Differenz zwischen Realität und Bild (oder Realität und Netz) gekennzeichnet, sondern zunehmend durch die operative Verschaltung von (jeweils medialem) Vorbild und Nachbild. Die Verschiebung der Diskurse im Zusammenhang mit Kunst und Medien deutet auf eine Verschiebung dieser Fragestellung hin: nicht, inwiefern sind Wirklichkeit und Medienbild (ontologisch, politisch, ideologisch) geschieden oder inwiefern arbeiten diese einander zu, sondern, in welcher Weise bedingen und produzieren sich beide gegenseitig? Welche permanente Radikalisierung dieser Rückkoppelung zeichnet sich ab? Es existiert "ein struktureller Unterschied zwischen der panotpischen Autorität der Moderne und den transoptischen Disursen der Postmoderne" (Timothy Druckrey). Lassen sich viele der frühen Video/-Medienprojekte als Kritik einer zu jener Zeit neuen, mediengestützten gesellschaftlichen Panoptik interpretieren, so führt dieser Diskurs um die Beziehungen zwischen Kultur, Subjekt und Medien gegenwärtig in einer mediatisierten Gesellschaft beschleunigter und virtualisierter Bilder und Kommunikationsverhältnisse statt, die die Welt der Erfahrung überhaupt erst konstruieren.
Die Emergenz medientechnischer Produktion, die sozusagen neuartige Wahrnehmungsgegenstände, semantische Figuren und Handlungsfelder in die kulturelle Zirkulation von Zeichen, Sinn und Kommunikation einschleust, wird etwa in Gebhard Sengmüller Projekt "TV Poetry" evident, das auf der "Ars Electronica" 1993 und der "Medien-biennale Leipzig" 1994 zu sehen war. Aus-gangs-punkt dieser automatisierten Textproduktion sind Fernsehprogramme bzw. die in die-sen auftauchenden Text-Komponenten. Im Sekunden-takt wählen die Em-pfangs-geräte ein neues Programm, von diesem wird ein Standbild abge-nommen und die in diesem Bild vorhandenen Textpassagen durch Text-erkennungs-software gefiltert, weiterbearbeitet und dargestellt. Der durch "TV Poetry" automatisch, d. h. maschinen-produzierte "Text" ergibt jetzt aber keinen Sinn, keine Erzählung, keine Dramaturgie, sondern eine durchaus alogische und paralogische Zeichenreihe: "(...) LINDY Si CLA IR SPURLOS VERS SCHUNDEN WADONNA (...)" (aus einem Sample vom 3. Januar 1993 zwischen 19.00 und 23.00 Uhr).
"Wird der Mediendiskurs je scheitern, völlig irren, sodass jeder auf der Stelle beschliesst, etwas vernünftigeres zu tun? Davon kann man wohl ausgehen." (Agentur Bilwet) © Reinhard Braun 1999 erschienen in: springerin - Hefte zur Gegenwartskunst, Band V, Heft 3/1999. ![]() ![]() |
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last modified on 2002 04 09 at 19:40 by braun / |