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Projekte


2. Österreichische Triennale zur Fotografie 1996

Radikale Bilder

Faisal Abdu'Allah & Clive Allen (GB), Art in Ruins (GB), Gilles Barbier (F), Richard Billingham (GB), Sabine Bitter/Helmut Weber (A), Anna + Bernhard Joh. Blume (D), Henry Bond (GB), Alain Bublex (F), Daniele Buetti (CH), Manuela Burkart (D), Helen Chadwick (GB), Critical Art Ensemble (USA), Petér Csikvári (H), Thomas Demand (D), Darko Fritz (CRO), Rainer Ganahl (A), G.R.A.M. (A), Michael Hofstetter (D), Gerald van der Kaap (NL), Ali Kepenek (D), Ivana Keser (CRO), Jürgen Klauke (D), Allan McCollum/Laurie Simmons (USA), John Miller (USA), Christoph Nebel (A), Shirin Neshat (IR/USA), Tony Oursler (GB/USA), Beate Passow (D), Jack Pierson (USA), Richard Prince (USA), Sophie Ristelhueber (F), Ugo Rondinone (CH), Klaus Scherübel (A), Bruno Serralongue (F), Andres Serrano (USA, Cindy Sherman (USA), Martin Sjoberg (SWE), Sven Westerlund (SWE), Stephen Willats (GB)

Kuratoren: Reinhard Braun, Camera Austria, Werner Fenz, Neue Galerie Graz

Durchführung in Zusammenarbeit zwischen der Neuen Galerie Graz und Camera Austria

Neue Galerie Graz, Sackstraße 16
Künstlerhaus Graz, Burgring 4
öffentlicher Raum
13. Juni bis 28. Juli 1996

Radikale Bilder

Die "Österreichische Triennale zur Fotografie", eine Veranstaltung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, die in Zusammenarbeit der Neuen Galerie und Camera Austria durchgeführt wird, findet 1996 bereits zum zweiten Mal statt. Sie bietet in einem Dreijahres-Rhythmus die Möglichkeit, aktuelle Positionen zeitgenössischer Fotografie zu präsentieren und hat Bedeutung nicht nur für die österreichische Fotoszene, sondern definiert sich im Feld der Befragung und Diskussion zeitgenössischer Kunst insgesamt.

Graz als Standort dieser Triennale nimmt seit langem durch zahlreiche Initiativen und Institutionen, die sich der Fotografie als Teil zeitgenössischer Kunst, ihrer Vermittlung, Präsentation und theoretisch-historischer Bearbeitung widmen, eine besondere Stellung in der östereichischen Fotolandschaft ein. Diese Konstellation einer kontinuierlichen Arbeit der Befragung von Fotografie als Teil einer eminent visuellen Kultur, als künstlerisches und als Massenmdium, bildet schließlich auch den Hintergrund der "Österreichischen Triennale zur Fotografie". Und vor diesem Hintergrund einer ständigen Auseinandersetzung mit Fotografie ist auch die spezifische Konzeption dieser umfangreichen Austellung zu sehen, die darin liegt, Künstler/innen einzuladen, speziell für diese Ausstellung eine Arbeit zu realisieren. Das Projekt der Triennale versteht sich somit nicht als eine Bestandsaufnahe, sondern als Zuspitzung von Methoden und Begriffspotentialen, um die Präsentation von präzisen Zeichensetzungen in einer umfangreichen internationalen Ausstellung. In diesem Modus liegt auch die Herausforderung für die Veranstalter: im Mittelpunkt der kuratorischen Tätigkeit stand vor allem die Entwicklung einer konkreten Perspektive auf zeitgenösische Kunst mit Fotografie, eine Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen künstlerischer Positionen selbst.

Bildete 1993 der "KRIEG." den Ausgangspunkt einer solchen Befragung, richtet sie sich 1996 auf "RADIKALE BILDER". Welche Bilder bzw. Bildformen sind es, könnte man das Interesse zusammenfassen, das durch diesen Titel formuliert wird, die angesichts der immensen Bildarchive, die permanent angelegt und (auch medial) erweitert werden, die noch an der Kostruktion gegenwätiger Wirklichkeiten und deren Interpretation mitwirken. In welcher Weise muß und kann sich Fotografie radikalisieren, um solche Interpretationen in Gang zu setzen. Radikaliät bezieht sich dabei nicht auf inhaltliche Dimensionen, sie kann sich nicht auf den Schock zurückziehen - sie setzte vorwiegend auf veränderte Konfigurationen, die Wirklichkeitserfahrung zu decodieren. In dieser ständigen Arbeit an der Entwicklung einer strategischen Position des Bildes rücken zahlreiche, immer wieder zur Anwendung gebrachte Bildcodes ins Zentrum der Auseinandersetzung. Eine solche reflexive Vorgangsweise bricht bestehende Systeme auf, initiiert eine Verschiebung in ihrer Bedeutung und wendet sich gegen eindimensionale Leserichtungen. Der Begriff des "RADIKALEN BILDES" - als Projektionsfläche künstlerischer wie gesellschaftlich-kultureller Brüche, Störungen und Infragestellungen - ist somit vor allem dem Methodischen, dem Konzept zugeordnet. Er bezeichnet aber nicht nur künstlerische Annäherungsweisen an der Kunst äußerliche Systeme, sondern begreift Kunst wie Kultur insgesamt als sich immer wieder auflösende und in anderer Form zusammensetzende Ordnungsgefüge, in dem radikale (ästhetische) Entscheidungen zu treffen sind. Die Frage ist also nicht, wie ein radikales Bild aussehen kann, sondern durch welche Operationen in und an bestimmten kulturellen Ordnungen ein (ästhetischer) Raum geschaffen werden kann, eine Störung, eine Differenz erzeugt werden kann, in dem und durch die "Radikale Bilder" konstruierbar, vermittelbar, darstellbar, denkbar werden.

Wenn sich in den 90er Jahren eine Aktualisierung der künstlerischen Debatte um kontextuelle und soziale Konstruktionen von Kunst sowie um Fragen der Systemkritik, Oppositionalität, Gegenkultur und Formen des (kulturellen) Widerstands feststellen läßt, dann kann diese Debatte auch als Reaktion auf die in der Postmoderne propagierte Auflösung von Differenzen gedeutet werden: alle möglichen - ästhetischen wie politischen - Zeichensysteme könnten in gleicher Weise angeignet, verarbeitet, montiert und gegen-einander ausgetauscht werden. Bedeutungsproduktion erscheint dann als Spiel mit Referenzsystemen, dessen Einsatz sich nicht mehr auf einer bestimmten Ebene festmachen läßt. Fotografie als Medium, das sich mit dem Realen einläßt, ist davon in besonderer Weise betroffen. Auch die sich ständig erweiternden Möglichkeiten digitaler Bildproduktion, die Expansion virtueller Räume, in denen selbst entworfene Bildwelten ständig verfügbar sind, stellen fotografische Vorgehensweisen - dokumentarische wie inszenierende - in Frage. Unter diesen Voraussetzungen gerät Fotografie als ein mögliches Bildsystem der Vermittlung zwischen Umwelt und Subjekt verstärkt ins Zentrum einer nicht nur spezifisch künstlerischen, sondern einer allgemeinen kulturellen Debatte.

"RADIKALE BILDER" stelt angesichts dieser Verschiebungen des kulturellen Systems Möglichkeiten der Entwicklung exponierter Positionen des fotografischen Bildes zur Disposition, die "von der Wurzel her", d. h. grundlegend und rücksichtslos, neue Formatierungen des Vorsellbaren und des Sichtbaren vornehmen. Damit im Zusammenhang stehen Formen des Gebrauchs und Verbrauchens von Bildern in einer Informationsgesellschaft, die sich permanent der apparativen und damit archivierenden Produktion von Bildzeichen versichert und diese damit auf Distanz stellt und hält. "RADILAKE BILDER" versuchen demgegenüber, diesen Bilderstapel abzuarbeiten und vor diesem (Bild-) Hintergrund neue Gestaltungsmuster zu entwerfen.

Die Ausstellung entwirft vor diesem Hintergrund der Erarbeitung von Differenzen, von Störungen und Neuentwürfen von Lesemöglichkeiten kultureller Muster, der Verschiebung auch der thematischen Ordnungen der Kunst schließlich keine Definition des "RADIKALEN BILDES", sondern eröffnet einen Raum, in dem gerade die Verschiedenartigkeit sichtbar wird, mit der "RADIKALE BILDER" konstruiert werden können, die unterschiedlichen Konzepte, Radikalität als Moment künstlerischer Produktion ins Spiel zu bringen, zu thematisieren, zu reflektieren und die damit verbundenen völlig unterschiedlichen Möglichkeiten, das fotografische Bild in diesem Sinn einzusetzen, zu verwenden oder zu unterlaufen.


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