ProjekteKunst & Politik 1990/1996Ein Projekt von Robert Adrian XKunst & Politik 1990COMPUTERINSTALLATION IN DEN KUNSTBERGUNGSRÄUMEN DES SALZBERGWERKES ALTAUSSEE Das Projekt "Kunst und Politik" von Robert Adrian X, das sich mit einem Teil der Geschichte des Salzbergwerkes in Altaussee beschäftigt, stellt einen von insgesamt 12 Beiträgen heimischer und internationaler Künstler und Künstlerinnen im Rahmen des Programmes der Steirischen Kulturinitiative für das Jahr 1990/91 dar. Alle diese Arbeiten beziehen Stellung zu dem Themenkomplex "Kunst(Museum)". Das Projekt "Kunst und Politik" beginnt im Jahre 1944. Im Januar dieses Jahres wurde von den Deutschen aufgrund der Kriegslage begonnen, Kunstgegenstände aller Art in bombensicheren Bergungsorten unterzubringen. Diese Bergungsaktion, wobei ähnliche im ganzen 'Reich' durchgeführt wurden, spielte insofern eine zentrale Rolle, als es aufgrund seiner Lage ('Alpenfestung', d. h. es lag im Kernbereich des bis zuletzt zu haltenden Reichgebietes) und Eigenschaften der Bergungsort vor allem für die seit der Machtübernahme Hitlers als Reichskanzler aufgebaute "Führersammlung" herangezogen wurde. Das Projekt "Kunst und Politik" setzte diese Lagerung von Kunstwerken als "Punkt Null" in der Geschichte und legte von dort aus eine virtuelle Zeitskala sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. In diese Skala wurden die Geschichten von vier ausgewählten Kunstwerke eingetragen. Dabei standen vor allem die Besitzverhältnisse der Werke im Vordergrung bzw. die verschiedenen Transaktionen, die die Werke zum Gegenstand hatten, sowie deren sozio-, d. h. macht-politischen und ökonomischen Implikationen: Besitz als eine Form der Repräsentation, als Anzeige einer auch kulturell verstandenen Vorherrschaft in Europa. Bei den Geschichten der Kunstwerke handelt es sich also um die Geschichte der Kunst als Form des Eigentums, Kunst als Form der Ästhetisierung von Besitz bzw. Besitzanspruch, als dessen Idealisierung uns Symbolisierung. Die "Führersammlung" ist zugleich Symptom und Konsequenz eines sich als Kulturanspruch gerierenden Machtstrebens, das nicht nur Territorien und Menschen zu beherrschen versucht, sondern sich zugleich auch die gesamte europäische Kultur anzueignen anstrebte - die "Führersammlung" ist vor allem als Zeichen dieses Anspruchs zu 'lesen'. Das Projekt versuchte, anhand der Bergung zahlloser Kunstwerke im Salzbergwerk von Altaussee bzw. exemplarisch und stellvertretend anhand der ausgewählten Arbeiten, Aspekte und Mechanismen nachzuzeichnen, die wiederum nicht allein auf den gewählten Zeithorizont beschränkt verstanden werden dürfen: es geht um grundsätzliche Projektionen und Ansprüche an Kunst, ihr Verwickeltsein nicht nur in ökonomische Zusammenhänge, sondern in ein multinationales Geflecht von kulturellen Wertesystemen und deren Anspruch, sich nicht nur in der Produktion, sondern auch im Besitz und damit der Verfügung über Kunst zu repräsentieren, reale Machtkonstellationen zu verdecken bzw. realpolitische Ansprüche und Strategien quasi zu idealisieren. Das Projekt versuchte, die herkömmliche Kunstgeschichtsschreibung anhand der exemplarischen Prozesse rund um die Führersammlung in gewissem Sinn umzukehren: das Ziel war nicht das Werk selbst, erzählt wurde nur nebenbei (und immer unter dem Aspekt seiner Bedeutung für gesellschaftliche Wertesysteme, in deren Rahmen auch und vor allem macht- und ökonomie-politischen Aspekten große Bedeutung zukommt) die Geschichte seiner Entstehung im Rahmen ästhetischer oder stilistischer Konzepte. Im Blickpunkt standen hauptsächlich die Geschichte seines permanenten kulturellen Standortwechsels aufgrund der wechselnden Besitzverhältnisse. der Bedeutungsverschiebungen, denen es denen es unterworfen wurde (und noch wird), indem es als Objekt nicht nur eines finanziellen Transfers, sondern als Träger kultureller Ideen und Werte verstanden wurde - und als solches erst die finanziellen Mittel für seinen Erwerb rechtfertigen konnte: es geht quasi um Besitz und Eigentum als kulturelle Verkehrsform. Der "Punkt Null" (das Jahr 1944) stand und steht also in keinem kausalen Verhältnis zum Werk, er ist lediglich jener Punkt, an dem sich die Geschichte der Werke mit der Geschichte des Salzbergwerkes trifft: an diesem Schnittpunkt entsteht quasi ein Bild der (Kunst- und Politik-) Geschichte aus den Geschichten der ausgewählten Bilder. Für die Kunstgeschichte sind diese Bild-Geschichten zumeist von der ideelen Funktionen der Bilder gekennzeichnet, durch ihre Bedeutung für Stil, Ästhetik oder Kunsttheorie, durch ihre Beziehungen zum geisteswissenschaftlichen bzw. philosophischen Kontext der Entstehungs- oder Rezeptionszeiten. Andere Funktionen werden oft ausgeklammert: als Herrschaftssymbol, zur Repräsentation und Legitimierung von Macht, als nationales Eigentum, als Wertanlage und Spekulationsobjekt, als Identifikationssymbol für (wechselnde) kulturelle Selbstverständnidsse. Ausgehend von der Lagerung im Bergwerk Altaus-see versuchte das Projekt, die Stationen der Besitzverhältnisse bis in die Gegenwart nachzuzeichnen: Stationen, die diese Werke als Objekte der Ideologie, der Kulturpolitik, aber auch des Handels, des Profitstrebens, der Macht und des Kapitals erscheinen lassen. Dadurch werden Projektionen, Zugriffe eines kollektiven Unbewußten freigelegt, die die Bilder zum Gegen-stand hatten und immer schon einen Teil ihrer Bedeutung bildeten, und die darüberhinaus einen wesentlichen Teil ihrer Funktion innerhalb von Kultur fixieren.Das Projekt "Kunst und Politik" (1990/91) trug der Tatsache Rechnung, daß ein großer Teil der im Salzbergwerk Altaussee gelagerten Kunstwerke einer einzigen Sammlung angehörten und für ein einziges Museum bestimmt waren: die "Führersammlung" im nach dem "Endsieg" in Linz zu errichtenden "Führermuseum". Diese Sammlung konnte kurze Zeit unter nur als bizarr zu bezeichnenden Bedingungen in Altaussee großteils vereint werden, das Museum blieb Projekt. In dieser imaginären Form dokumentiert dieses "Museum" dennoch symptomatisch die Antriebe dieses 'Sammelns', das in Wirklichkeit die aus einem komplizierten Geflecht von Ankäufen, Beschlagnahmungen, Enteignungen und Diebstählen bestand: die unglaubliche Anzahl an für das zukünftige Museum bestimmten Bilder entlarvt den hypertrophen Charakter, den eine solche Konzentration von "Spitzenwerten" der Kunst als gerade jenen ideologischen Irrtum, der an die Möglichkeit der (materiellen) Akkumulation von kulturellen Werten glaubt. Diese Sammlung demonstriert den Versuch, sich materiell, d. h. sozusagen buchstäblich, die symbolischen Werte anzueignen, (dem 'Reich') einzuverleiben, die die Kunstwerke als Zeichenträger ('Semiophoren', nach einem Begriff von Krzystof Pomian) repräsentieren. Der Besitz erscheint hier als eine Form des symbolischen Einverleibens von Kultur, das Museum als Speicher von Werten, die scheinbar in bestimmten Objekten eingeschlossen zu sein scheinen. Von hier aus eröffnet sich die Frage nach dem Museum, wenn es, wie im vorliegenden Fall, seine Bestimmung gar nicht einzulösen vermag, und dennoch nach der Idee Hitlers schon ein solches darstellte: Eigentum, Besitz als museale Form, gewissermaßen als 'Präfiguration' des Museums. Jenseits seiner ideelen Funktion (der Idealisierung seiner Funktion) zeichnet das eingelagerte Museum im Bergwerk in aller Schärfe die Vorstellungen des Sammelns wie des Museum nicht sosehr als Begriffe der Geistesgeschichte als vielmehr der Geschichte der (kulturel-len) Macht und Hegemoniebestrebungen: Museum nicht nur als eine Konzentration von Kultur sondern zunächst als Konzentration der Macht und des Kapitals. Gerade wegen dem Augenmerk, das in diesem Projekt auf Kunst als Gegenstand der Ideologie, Politik und Ökonomie gelegt wird, stand die Arbeit daran vor erheblichen Schwierigkeiten. Die Eigentümer von Kunst sind nur interessant, insofern sie in irgendeinem Sinn ihre Entstehung ermöglichten oder ihre Spuren IM Kunstwerk hinterlassen haben: als Auftraggeber, Stufter, Förderer, Anreger, Liebhaber und Sammler, die entweder in unmittelbarem Kontakt zum Künstler standen, vielleicht sogar die Form mitbeeinflußt haben, oder aber der Interpretation und angemessenen Darstellung der Werkes 'gedient' haben. Sie erscheinen in diesen Zusammen-hängen zumeist in vollständig entideologisierter Form, und wenn nicht, diskreditieren sie gerade dadurch jene Kunst bzw. jene Werke, die für die Forschung tabuisiert werden. Die Geschichte der Kunst als spezifische und besondere Form des Eigentums ist schlecht dokumentiert - einmal im Museum, wird diese Geschichte auf wenige Fakten reduziert. Rückwirkend werden die Werke als Leistungen einer ideo-logie- und politikfreien Kultur präsentiert bzw. als Widerstand gegen Versuche zur Politisierung und Ideologisierung. Gerade jene Zeit, in der die Kunst dem Zugriff der Nationalsozialisten, ihrem Kunst- und Kultur-verständnis, das durch Personen wie Goebbels und Rosenberg geprägt wurde, ausgesetzt war, wird als kulturfremder Eingriff in die Sphäre der Kunst angesehen und aus der Kontinuität der Geschichte der Kunst ausgeklammert, als Cäsur, Einschnitt und Rückschritt dargestellt - was sie zweifellos AUCH war; sie war aber auch Kulminationspunkt eines historisch sich entwickelten Verständnisses über die Zusammenhänge zwischen Kultur, Kunst und Nation. Das Projekt "Kunst und Politik" wollte, wie es im Titel angegeben wird und ohne durch Generalisierungen die ungeheuren und einmaligen Geschehnisse zu nivellieren, dennoch allgemeine Zusammenhänge präsentieren: der Schnittpunkt durch die Geschichte, der gewählt wurde, bringt in dieser seiner Ungeheuerlichkeit sozusagen 'Formen' zutage, die sonst nicht ohne erheblichen theoretischen Aufwand formuliert werden könnten. Das Material, der 'Gegenstand' dieses Projektes spricht quasi auch von selbst. Die Schwierigkeiten, hier eine adäquate Gewichtung zwischen Darstellung, Kommentierung und Wertung zu finden, sind, so glauben wir, evident - sie wurden auch an vielen Stellen sichtbar gehalten, um die Ambivalenz zu verdeutlichen, die in der Behandlung dieses Themas ständig präsent bleibt, eine Ambivalenz, der sich eine idealisierende Kunstgeschichte nur zu leicht entzieht, und die in ihren Darstellungen eine Nach-zeichnung der hier interessierenden Zusammenhänge oft noch zusätzlich erschwert. Die Einlagerung des Computers in die ehemaligen Bergungsräume (Werker) reproduziert bzw. verdoppelt quasi sowohl die Bergung als auch den Zugriff, die Aneignung. Exemplarisch werden fünf Werke durch ihre digitale Reproduktion in Verbindung mit Texten zu ihrer Geschichte repräsentiert. Die komplexe visuelle und textliche Aufbereitung der Information über diese Werke zielt auf ein Moment der Transparenz: die Auflösung des Mythos' von der Kunst als autarkem System, dessen Verknüpfung mit Mechanismen der Ideologie und Ökonomie größtenteils als aggressive Instrumentalisierung gedacht wird. Die frei kombinierbaren Texte versuchen, Informationen zu liefern, die die geschichtlichen Kontinuitäten der Assimilierung von Kunst durch Mechanismen der Herrschaft verdeutlichen. Nicht die ästhetischen Kategorien bilden die Ursache für die beständigen Versuche der Aneignung der Kunst: es sind ihre symbolisch/magischen Bedeutungsschichten als eine Folge umfangreicher kultureller Projektionen, die sie zu einem begehrten Objekt der Repräsentation und Identifikation werden lassen. Und gerade als diese aufgeladenen Zeichenträger erscheinen sie nicht erst in der Geschichte ihrer Rezeption, bereits auf der Ebene der Produktion greifen diese kulturellen Muster. Die Installation im Inneren des Bergwerkes symbolisiert nicht allein diese primäre Verflechtung, sie führt auch ein weiters Moment der Erscheinungsform von Kunst ein. Die Digitalisierung sowohl der Bilder/Objekte selbst als auch ihrer sprachlichen Vermittlung/Bearbeitung zeigt einen neuen Modus des Zugriffs und der Präsentation. Der Bildschirm (als ein Zeichen der Bilder) erscheint als ein potentielles Substitut für alle Bilder, wie er in der Installation im Bergwerk als deren Repräsentant eingesetzt wird, als ein neues symbolisches Meta-Objekt. (Eine zukünftige Katastrophe wird vielleicht nicht mehr die Einlagerung von Kunstwerken sondern jene von Rechensystemen zur Folge haben.) Gleichzeitig werden die Bilder durch die Digitalisierung radikal transformiert: sie erscheinen jetzt allein auf der systemimmanenten Ebene der Codierung von Information und sind innerhalb dieser jeder Art von codierbarer Information äquivalent. In der Reproduktion durch den Computer und dessen gleichartigem Zugriff auf alle externen Phänomene verschwindet Kunst gerade als jener autarker Bereich im Horizont der Systeme. Die Bilder und ihre Geschichten befinden sich gleichzeitig im gleichen Status, es lösen sich die Differenzen auf: Geschichte wie Kunst sind für den Zugriff durch ein Interface (Mouse) gleichermaßen als sensible Oberfläche des Bildschirms aufbereitet: der letzte Effekt eines Bildes. Dieser universale Zugriff durch das System Computer entläßt jetzt in seiner variierbaren - d. h. individuellen - Bedienung durch den Benützer die Geschichten, Effekte von Geschichten. Es liefert den Horizont der Geschichte wie der Bilder als eine potentiell unendliche Sammlung, das totale Museum. © Reinhard Braun 1991 |
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